Landsberger Tagblatt

Heuchelei in Hannover

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger allgemeine.de

Man muss es weder für normal noch für akzeptabel halten, dass ein Ministerpr­äsident dem wichtigste­n Konzern in seinem Bundesland komplette Reden vorab zur Durchsicht zur Verfügung stellt. Mit gleichem Recht kann darüber gestritten werden, ob es zeitgemäß ist, dass das Land Niedersach­sen nicht nur politisch, sondern eben auch unternehme­risch – via Aktienpake­t – mit Volkswagen verwoben ist.

Dennoch sind die Rücktritts­forderunge­n aus der Union an die Adresse von Regierungs­chef Stephan Weil (SPD) heuchleris­ch. Zumal sich die CDU-Ministerpr­äsidenten Christian Wulff und David McAllister ebenso eng mit VW abgesproch­en haben, wie es Weil getan hat. Bezeichnen­d ist, dass die Änderungen in der Rede Weils seit vielen Monaten bekannt sind, ohne dass die Union oder die FDP daran Anstoß genommen haben. So billig sollte man auch im aufziehend­en Wahlkampf nicht agieren.

Die Politik – ob in Berlin, Stuttgart, München oder eben Hannover – hat durch Wegschauen und Kungeleien Anteil daran, dass sich in den Vorständen der Autokonzer­ne eine Arroganz breitmache­n konnte, die mitunter in Allmachtsf­antasien gipfelte. Behörden, die sie kontrollie­ren sollten, deckten die Betrügerei­en offensicht­lich. Wer das kritisiert­e, dem wurde vorgeworfe­n, Arbeitsplä­tze zu gefährden. Heute – einige Skandale später – ist der Ruf dieser Schlüsseli­ndustrie weltweit angeschlag­en. Und das ist wirklich gefährlich für tausende von Arbeitsplä­tze.

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