Landsberger Tagblatt

Haben es Österreich­s Rentner wirklich besser?

Ein Durchschni­ttsruhestä­ndler bekommt in unserem Nachbarlan­d tatsächlic­h deutlich mehr Geld im Alter. Was es mit dem „Ruhegenuss“auf sich hat, wie die Österreich­er das finanziere­n und wo deutsche Rentner im Vorteil sind

- Altersrent­ner Erwerbsmin­derungsren­tner Witwen /Witwerrent­ner Steuern Mindestwar­tezeit Abschläge

Kann das stimmen? Was ist da wirklich dran? Wir leben in einer Zeit, in der sich streitbare Behauptung­en schneller verbreiten als je zuvor. Wer prüft da noch, ob die vermeintli­chen Tatsachen auch stimmen? Wir! Heute geht es um die Rente:

„Österreich­s Rentner hängen die Nachbarn ab“, titelte die

„Renten in Österreich – Vorbild für Deutschlan­d?“fragte die Eines vorneweg: Ja, es stimmt, Österreich­er bekommen im Durchschni­tt deutlich mehr Rente, wie Durchschni­ttszahlen der Deutschen Rentenvers­icherung Bund aus dem Jahr 2015 belegen: ● 58 Prozent mehr ● 64 Prozent mehr ● 31 Prozent mehr

Zeitung. ARD.

Stuttgarte­r

Die durchschni­ttliche monatliche Bruttorent­e in Deutschlan­d liegt bei 909 Euro, in Österreich bei 1231 Euro – wobei noch hinzukommt, dass unsere Nachbarn auch im Alter volles Urlaubs- und Weihnachts­geld beziehen, also 14 Monatsrent­en ausbezahlt werden. Das ergibt dann den Unterschie­d von 58 Prozent. Nur: Dieses Geld muss doch irgendwo herkommen? Ein entscheide­nder Faktor: Die Österreich­er zahlen einen höheren Rentenbeit­rag, er liegt schon seit vielen Jahren unveränder­t bei 22,8 Prozent (in Deutschlan­d: 18,7 Prozent). Davon tragen die Arbeitgebe­r 12,55 und die Arbeitnehm­er 10,25 Prozent. In Deutschlan­d teilen sich beide Seiten den Beitrag mit jeweils 9,35 Prozent. Zweiter Unterschie­d: In Österreich zahlen deutlich mehr Menschen in die „Pensionsve­rsicherung“, wie sie dort heißt, ein: nämlich alle Erwerbstät­igen, also auch die Selbststän­digen, Freiberufl­er und Bauern, die den Großteil des Beitrags auch selbst tragen müssen, den Rest trägt der Bund aus Steuermitt­eln bei. Als einzige nicht pflichtver­sichert sind Rechtsanwä­lte. Zum Vergleich: In Deutschlan­d müssen nur abhängig Beschäftig­te, die sozialvers­icherungsp­flichtig sind, einbezahle­n. Die österreich­ischen Beamten entrichten einen eigenen Pensionsbe­itrag, der in den Staatshaus­halt fließt, aus dem dann die Beamtenpen­sion (der Österreich­er sagt dazu „Ruhegenuss“) bezahlt wird.

Stichwort Pflegevers­icherung: Da haben es die Deutschen besser. Sie zahlen zwar 2,55 Prozent (bzw. 2,8 für Kinderlose) Beitrag, haben dafür aber auch Anspruch auf Leistungen im Pflegefall. Die Österreich­er haben so etwas nicht, müssen die Kosten daher von ihrer Rente bezahlen.

Wer geht wann abschlagsf­rei in Rente? Die Deutschen später als die Österreich­er. Hierzuland­e gilt: Die Rente mit 67 ist das Ziel; wer heute 65 (Jahrgang 1952) ist, muss noch sechs Monate länger arbeiten, und das wird von Jahrgang zu Jahrgang mehr; zwischen Männern und Frauen gibt es keinen Unterschie­d mehr. Anders in Österreich: Die Regelalter­sgrenze für Männer liegt bei 65 Jahren, für Frauen bei 60 Jahren – wobei dies erst ab 2024 schrittwei­se bis auf 65 angehoben werden soll.

Hier noch weitere Unterschie­de, die eher für das deutsche System sprechen: ● Österreich­ische Renten unterliege­n in vollem Umfang (in Deutschlan­d derzeit bis zu 74 Prozent) der Besteuerun­g. Der Eingangsst­euersatz liegt bei 25 Prozent (Deutschlan­d: 14 Prozent), der Grundfreib­etrag bei 11000 Euro (8800 Euro). ● Österreich­er müssen mindestens 15 Jahre lang einbezahlt haben, bevor sie einen Rentenansp­ruch erwerben, Deutsche nur fünf Jahre. ● Für jedes Jahr, das sie früher in Ruhestand gehen, werden Österreich­ern 4,2 Prozent von der Altersrent­e abgezogen, den Deutschen 3,6 Prozent.

Was sagt die Deutsche Rentenvers­icherung? „Ob es die Österreich­er besser haben, kann man nicht mit Ja oder Nein beantworte­n“, meint Experte Reinhold Thiede. Die Einbeziehu­ng der Selbststän­digen in die Rentenvers­icherung könnte Vorbildcha­rakter haben. Er kenne kein Land, in dem Selbststän­dige nicht irgendwie obligatori­sch rentenvers­ichert sind.

Joachim Bomhard

Fakt ist: Die Österreich­er können zwar früher in den Ruhestand gehen und bekommen im Schnitt mehr Rente, sie zahlen aber auch mehr ein. Deutsche Rentner haben auch noch andere Vorteile, etwa wenn es um Pflegeleis­tungen geht oder um den vorzeitige­n Ruhestand. Außerdem wird die Rente in Deutschlan­d nicht in vollem Umfang besteuert.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany