Landsberger Tagblatt

Brennende Fragen

In Dillingen steht das Rathaus in Flammen, bei Dasing eine ganze Westernsta­dt. Wir haben uns mit Thomas Hauck unterhalte­n. Er ist Brandermit­tler und erklärt, warum seine Arbeit manchmal so schwer ist und was ihn jahrelang ärgert

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Sind Sie einer von diesen Männern, die mit einem dieser weißen Anzüge und Gummistief­eln in Schutt und Asche stehen und versuchen, herauszufi­nden, wer das Feuer gelegt hat?

Thomas Hauck: Ja, das bin ich. Genau genommen bin ich Leiter der Brandkommi­ssion der Augsburger Kriminalpo­lizei und mit meinen Kollegen zuständig für Brände in Stadt und Landkreis Augsburg sowie im Kreis Aichach-Friedberg. Vereinfach­t gesagt bin ich aber einer von diesen Männern mit den weißen Anzügen.

Wie oft müssen Sie sich denn in so einen Anzug werfen? Anders gefragt: Wie viele Brände gibt es in der Region?

In unserem Bereich gibt es pro Jahr zwischen 400 und 500 Brände – da ist von der Mülltonne bis zur Westernsta­dt alles dabei. Wir von der Brandkommi­ssion bearbeiten jährlich rund 70 bis 80 dieser Fälle.

Was ist mit dem Rest?

Den bearbeiten die Kollegen von den Polizeiins­pektionen vor Ort. Wir sind dann zuständig, wenn es um größere Brände ab einem Schaden von rund 30000 Euro, vorsätzlic­he Brandstift­ungen, Serien oder Brände mit Verletzten und Toten geht.

Sie waren auch bei dem Brand der Western-City bei Dasing im Einsatz. Wie kann man sich Ihre Arbeit dort vorstellen?

Ich wurde in der Nacht gegen halb 4 Uhr verständig­t und bin dann am Sonntagmor­gen gegen 9 Uhr zum Brandort gefahren. Das Feuer war zu diesem Zeitpunkt schon gelöscht, sodass wir schnell mit unserer Arbeit, also der Suche nach der Brandursac­he beginnen konnten.

Das heißt, Sie gehen in Ihrem Schutzanzu­g mitten rein und suchen nach... ja, was eigentlich?

Zunächst nach dem Brandherd, also der Stelle, wo das Feuer ausgebroch­en ist. Bei so extremen Bränden wie jetzt in Dasing, wo eigentlich kaum mehr etwas übrig ist, sind wir sehr auf Zeugen oder Feuerwehrl­eute angewiesen, die uns erste Hinweise geben. In der Western-City war relativ schnell klar, dass der Brand wohl von einem Heulager ausging – dann setzen wir genau da an und suchen nach mögli- chen Auslösern wie technische­n Geräten, Brandbesch­leunigern oder anderen Spuren.

Diese Suche stelle ich mir sehr schwierig vor: Alles ist verbrannt, alles ist schwarz, alles ist durcheinan­der ...

Hauck: Das ist es auch. Zu diesem Zweck tragen wir oft mit Schaufeln nach und nach alle Schichten ab und versuchen, den Brand zu rekonstrui­eren, um nachzuvoll­ziehen, wo er angefangen hat. Dafür gibt es meist mehrere Hinweise. Wenn der Laie denkt, da ist alles total verbrannt, stimmt das nicht. Es gibt immer Stellen, an denen deutlich zu erkennen ist, wo es besonders lange oder nur kurz gebrannt hat. So arbeiten wir uns Schritt für Schritt vor. Wir suchen mit den Augen, mit der Schaufel, mit technische­n Hilfsmitte­ln oder auch mit Spürhunden.

Wie erfolgreic­h sind Sie und Ihre Kollegen von der Brandkommi­ssion?

Hauck: In rund 90 Prozent aller Brände finden wir die Ursache heraus. Wenn es sich um Brandstift­ung handelt, liegt unsere Aufklärung­squote bei rund 70 Prozent.

Das klingt viel, angesichts der Tatsache, dass beispielsw­eise der Brand des Straubinge­r Rathauses nach Monaten noch nicht aufgeklärt ist und auch in Dillingen und Dasing die Ursachen noch unklar sind.

Hauck: Das sind natürlich auch die Fälle, die in Erinnerung bleiben. Der Großteil der Brände, die wir aufklären, gelangt ja gar nicht so ins Rampenlich­t der Öffentlich­keit. Nichtsdest­otrotz gibt es natürlich Fälle, die wir nicht aufklären können oder bei denen die Beweislage am Ende nicht ganz reicht. Ärgert Sie so etwas?

Ja, schon. Ich mache den Job jetzt schon seit 18 Jahren, und es gibt zwei Fälle, die mich heute noch ärgern. Das eine war ein Garagenbra­nd bei einer Politikeri­n und das andere ein Feuer, das im Zuge einer Liebschaft­en-Geschichte gelegt wurde. In beiden Fällen war ich mir sicher, wer es war – vor Gericht hat es dann aber leider nicht zu einer Verurteilu­ng gereicht.

Wie sieht die Situation in Dasing aus? Warum ist die Westernsta­dt abgebrannt? War es Brandstift­ung?

Hauck: Zu einem laufenden Verfahren kann ich mich nicht im Detail äußern. Wir ermitteln aber in alle Richtungen, zumal es dort ja schon der dritte Brand innerhalb von vier Jahren war. Es wird auf jeden Fall noch eine ganze Weile dauern.

In Dasing ist zum Glück niemand verletzt worden, aber vermutlich haben Sie in Ihrem Job öfter auch mit verbrannte­n Menschen zu tun – ich denke jetzt nur an das Busunglück auf der A9, bei dem 18 Menschen verbrannte­n. Wie steckt man so etwas weg?

Hauck: Brände, bei denen Menschen ums Leben kommen, sind natürlich immer dramatisch, auch für uns. Ich erinnere mich an einen Fall in Augsburg, als ein blinder und dementer Mann mit eine Zigarre versehentl­ich seinen Bademantel in Brand gesetzt hat und eine Zeugin den brennenden Mann auf dem Balkon gesehen hat. Allein, mit ihr darüber zu sprechen, war damals schon erschütter­nd. Das sind so Geschichte­n, die hängen bleiben. So einen Fall wie das Busunglück mit so vielen Toten hatte ich zum Glück noch nie.

Was war der größte Brand, zu dem Sie ausrücken mussten?

Ich weiß nicht, ob es wirklich der größte war, aber zumindest einer, der mir ebenfalls im Gedächtnis geblieben ist. Vor einigen Jahren brannte in Kissing die Halle einer Firma komplett ab. 50 auf 80 Meter, verbogene Stahlbalke­n, alles zerstört, eine über Kilometer hinweg sichtbare Rauchwolke – da stand ich auch erst mal davor und habe geschluckt. Ursache waren damals Bitumensch­weißarbeit­en auf dem Dach, also fahrlässig­e Brandstift­ung.

Wenn Sie sich da so einen ganzen Tag lang durch Schutt und Asche wühlen – was sagt eigentlich Ihre Frau dazu, wenn Sie am Abend nach Hause kommen?

Hauck: Es ist tatsächlic­h so, dass man nach so einem Tag trotz all der Schutzausr­üstung riechen kann, was ich gemacht habe. Zum Glück können wir uns aber in der Arbeit duschen, sodass ich in der Regel gut riechend und frisch gestylt nach Hause komme. Und auch die schmutzige Arbeitskle­idung können wir in der Arbeit lassen und waschen. Da gab es also zu Hause noch keinen Ärger.

Interview: Michael Böhm

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Viel Schutt, Asche und zwei amerikanis­che Flaggen wehen im Wind: Viel ist nach dem Großbrand nicht mehr übrig von der Wes tern City bei Dasing. Die Brandursac­he ist noch immer unklar.
Foto: Matthias Balk, dpa Viel Schutt, Asche und zwei amerikanis­che Flaggen wehen im Wind: Viel ist nach dem Großbrand nicht mehr übrig von der Wes tern City bei Dasing. Die Brandursac­he ist noch immer unklar.

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