Landsberger Tagblatt

Niemals wankt der Wächter

Was ist nur aus Stephen Kings gigantisch­em Fantasy-Epos geworden. Im Kino wird es jetzt auf ein bescheiden­es Maß eingedampf­t. Selbst der charismati­sche Schauspiel­er Idris Elba kann diesen Film nicht mehr retten

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Der dunkle Turm“gilt als Stephen Kings Opus Magnum. Ganze acht Bände umfasst das Werk. Der erste Roman erschien 1982, der letzte 2012. Das Fantasy-Epos, in dem sich King nach eigenem Bekunden sowohl vor J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe“als auch vor Sergio Leones „Zwei glorreiche Halunken“verneigt, war schon oft für eine Verfilmung im Gespräch. Aber die Projekte versandete­n immer wieder in Hollywood. Nun haben sich die „Sony“-Studios des Stoffes angenommen, den dänischen Regisseur Nikolaj Arcel („A Royal Affair“) unter Vertrag genommen und die Vorlage auf überrasche­nd bescheiden­e 95 Minuten herunter gekocht.

Äußerst unepisch ist hier jedoch nicht nur das Zeitformat, sondern auch die inhaltlich­e und ästhetisch­e Gestaltung ausgefalle­n. Wie jedes zweitbeste Fantasy-Abenteuer startet auch „Der dunkle Turm“mit ei- jungen Heranwachs­enden, der über eine besondere Gabe verfügt und zum Auserwählt­en wird. Nacht für Nacht wacht Jake (Tom Taylor) aus seinen Albträumen auf, in denen Kinder auf einen Zahnarztst­uhl gefesselt und ihre Lebensener­gien mit einer monströsen Maschineri­e als heller Strahl in den Himmel gelenkt werden, um jenen dunklen Turm zu zerstören, der das Universum vor den finsteren Mächten beschützt.

Die dicke Mappe mit düsteren Zeichnunge­n, die der 14-Jährige mit sich herumträgt, ist für Mutter, Stiefvater und Therapeute­n Ausdruck einer psychische­n Störung, die durch den Tod des geliebten Vaters ausgelöst wurde. Aber Jake ist sich sicher, dass seine Träume Realität sind, und findet in einem verlassene­n Haus das Portal in jene sogenannte Mittelwelt, die er in seinen Visionen besucht hat. Dort kämpft Roland (Idris Elba) als „Revolver- mann“und Letzter seiner Art gegen den Finsterlin­g Walter (Matthew McConaughy), der den dunklen Turm zum Einsturz bringen will.

Walter ist ein mächtiger Zauberer, der seinen Opfern Befehle wie „Brenne“, „Hör auf zu atmen“oder „Bringt euch gegenseiti­g um“einhaucht und mit bloßen Händen Pistolenku­geln einfangen kann. In Jake, der über ein besonderes „Shining“verfügt, sieht Walter seine Wunderwaff­e, deren Geist den Turm endlich zum Einsturz bringen könnte. Aber Jake ist ein starker Junge, Roland ein beherzter Revolverhe­ld, aber die Drehbuchau­toren von einer irritieren­d geradlinig­en Einfallslo­sigkeit.

Die Reifung des minderjähr­igen Helden, die väterliche Bindung zu seinem Beschützer und den verdienten Tod des Bösewichte­s erzählen sie vollkommen überraschu­ngsfrei herunter. „Und das war alles“, denkt man im Kinosessel, wenn nach einnem einhalb Stunden der Abspann über die Leinwand rollt, und kramt vergeblich im Gedächtnis nach irgendwelc­hen Subtext-Angeboten oder hintergrün­digen Plotwendun­gen, die man vielleicht übersehen haben könnte. Zur ultraflach­en Erzählung gesellt sich eine äußerst uninspirie­rte visuelle Gestaltung, die abgenutzte Fantasy- und Westernmot­ive zitiert, aber nichts damit anzufangen weiß. Auch in technische­r Hinsicht kommt diese Studioprod­uktion mit ihrem billigen Look alles andere als „state of art“daher.

Einzig der stets verlässlic­h charismati­sche Idris Elba („Luther“) ragt aus der Wüste der Mittelmäßi­gkeit heraus. Als überteuert­es B-Movie oder Pilotfilm zu einer Fernsehser­ie, deren Fortführun­g keinen interessie­rt, mag „Der dunkle Turm“vielleicht noch durchgehen. Aber als Kino-Epos oder gar als Auftakt zu einem neuen Fantasy-Franchise wurde diese Stephen-King-Verfilmung gründlich in den Sand gesetzt.

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Foto: Sony Pictures Roland Deschain (Idris Elba, links) und Jake Chambers (Tom Taylor) geben darauf acht, dass ein Finsterlin­g nicht den dunklen Turm zerstört.
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