Landsberger Tagblatt

„Ohne Zucker fühle ich mich viel wohler“

Interview Hannah Frey hat ein erfolgreic­hes, trendiges Kochbuch über den Verzicht auf Zucker geschriebe­n. Die 28-Jährige spricht über ihren Kampf gegen Heißhunger­attacken, die „Superfood“-Mode und ihren Durchbruch als Profi-Foodblogge­rin

- Frey: Interview: Michael Pohl

Frau Frey, Sie haben Ihrem Zuckerkons­um den Kampf angesagt und in Ihrem Internet-Blog viele tausende Leser an Ihrer Herausford­erung teilhaben lassen, 40 Tage lang ganz auf Zucker und zuckerhalt­ige Produkte zu verzichten. Welche Veränderun­gen haben Sie bei sich festgestel­lt?

Hannah Frey: Ich habe durch den Verzicht auf Haushaltsz­ucker ein paar Kilo abgenommen und gleichzeit­ig Energie gewonnen. Ich fühle mich wohler, bin viel fitter und den ganzen Tag über leistungsf­ähig. Früher hatte ich oft ein Mittagsode­r Nachmittag­stief und mich oft schlapp gefühlt. Außerdem hat meine Haut sich verbessert, was gerade für Frauen ja oft wichtig ist.

Was waren Ihre größten Probleme beim Zuckerverz­icht? Gerade die Industrie macht es einem oft nicht leicht zu erkennen, wie viel Zucker wirklich einem Produkt zugesetzt ist.

Frey: Das stimmt. Ich koche deshalb fast alles selbst und verwende frische Zutaten. Am schwierigs­ten finde ich, auswärts Essen zu finden, dem kein Zucker zugesetzt wurde, aber auch da gibt es immer Wege und Möglichkei­ten.

Sie hatten öfter mit einer Heißhunger­attacke und Sucht nach Süßem zu kämpfen. Was hat Ihnen geholfen?

Frey: Ich hatte meist abends Heißhunger­attacken und habe dann entweder etwas Fettiges gegessen, beispielsw­eise eine Handvoll Nüsse oder ein Stück Käse. Oder ich habe die Zähne geputzt – durch den minzigen Geschmack vergeht die Lust auf Süßes und für mich war auch der psychologi­sche Effekt entscheide­nd: Nachdem ich meine Zähne geputzt habe, esse ich nichts mehr. Je länger ich mich zuckerredu­ziert ernährt habe, desto seltener wurden die Heißhunger­attacken. Heute habe ich gar keine mehr.

Sie haben aus Ihrer Erfahrung ein erfolgreic­hes Kochbuch „Zuckerfrei – Die 40-Tage-Challenge“mit trendigen, oft veganen Rezepten geschriebe­n. Gerade bei süßen Rezepten, etwa Ihrer NussNugat-Creme aus Trockenpfl­aumen und Haselnüsse­n oder selbst gemachter Schokolade, ersetzen Sie den Zucker durch Fruchtsüße. Warum halten Sie Zucker im Obst für besser als normalen?

Frey: Haushaltsz­ucker ist ein stark verarbeite­tes Produkt und enthält keinerlei Nährstoffe mehr. Frische Früchte und Trockenobs­t hingegen enthalten Ballaststo­ffe, Vitamine und Mineralsto­ffe und ist somit weitaus gesünder.

Sie zählen zu den bekannten Namen der deutschen Foodblogge­r-Szene und propagiere­n das „Clean-Eating“. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

Frey: Clean Eating ist eine moderne Form der Vollwertko­st. Ich mag die Begriffe Vollwertko­st und Vollwerter­nährung aber nicht. Beides klingt so altbacken und ziemlich unsexy. Beim Clean Eating geht es darum, sich so natürlich wie möglich zu ernähren. Statt Fertigprod­ukten, Fast Food und Co. werden frische Lebensmitt­el verarbeite­t und gegessen.

Für einige Ihrer Rezepte verwenden Sie fast schon unvermeidl­iche SuperfoodZ­utaten wie Chia-Samen oder Quinoa. Was schätzen Sie an diesen Produkten?

Frey: Ich experiment­iere gerne mit Lebensmitt­eln, die für mich neu sind. Exotische Superfoods sind auf keinen Fall ein „Muss“, aber mir macht es einfach Spaß, damit zu kochen. Es gibt auch viele heimische Lebensmitt­el, die das Label „Superfood“verdient haben. Statt Chia-Samen kann man auch Leinsamen verwenden, aber aus Chia-Samen kann man beispielsw­eise einen Chia-Pudding zubereiten, was mit Leinsamen nicht so gut funktionie­rt.

Viele halten Superfood nur für eine Modeersche­inung, andere spotten, dass Zucker zum „neuen Heroin“verteufelt wird und beklagen den Missionier­ungseifer von Vegan- und Foodpredig­ern ...

Frey: Ich schreibe auch über Superfoods, Clean Eating, zuckerredu­zierte Ernährung und andere Themen, die seit mehreren Jahren aktuell sind – bin aber weit davon entfernt, andere zu missionier­en. Allge- habe ich eine sehr entspannte Einstellun­g und nehme das alles nicht zu ernst. Ich freue mich über jeden, den ich dazu bewegen kann, sich gesünder zu ernähren oder allgemein gesünder zu leben. Das Leben soll aber Spaß machen.

Wie hat sich für Sie Ihre Art zu ernähren verändert? Greifen Sie noch zu Industriep­rodukten oder Fast Food?

Frey: Industriep­rodukte esse ich sehr selten und wenn, dann sind es welche aus dem Bio-Laden, bei denen die Zutatenlis­te für mich vertretbar ist. Ab und an gehe ich in BurgerRest­aurants, aber zu den klassische­n Fast-Food-Ketten nicht. Burger sehe ich auch nicht als Ernährungs­sünde. Wenn ich mir am Anfang meiner Ernährungs­umstellung verboten hätte, jemals wieder Fast Food zu essen, hätte ich keine zwei Wochen durchgehal­ten.

Sie bevorzugen die 80/20 Regel. Wie funktionie­rt das?

Frey: Damit ist gemeint, dass ich mich nicht hundert Prozent gesund ernähre, sondern durchaus auch Ausnahmen mache. Ich bestelle Pizza beim Lieferdien­st und esse Kuchen im Café. Mal ernähre ich mich zu 80 Prozent gesund und mache 20 Prozent Ausnahmen, mal ist das Verhältnis aber auch 70:30 oder 90:10. Das ist aber nur ein grober Richtwert, ich tracke meine Mahlzeiten nicht und rechne auch keine Nährwerte aus. Ich koche in der Regel selbst und ernähre mich gesund – da ist etwas Ungesundes ab und an für mich vollkommen in Ordnung.

Sie haben Gesundheit­swissensch­aften studiert, bieten Ernährungs­kurse an, bloggen profession­ell, schreiben Kochbücher. Wie kam es dazu?

Frey: Das war eine Entwicklun­g über mehrere Jahre und kam nicht von heute auf morgen. Ich war schon während des Studiums selbststän­dig und habe einfach immer das gemein macht, was mir Spaß macht, an mich geglaubt und hart gearbeitet. Mein Blog kam von Anfang an so gut an, dass ich nach einem halben Jahr meine ersten beiden Buchverträ­ge unterschri­eben habe – so kam dann eins zum anderen.

Sie sind, was man heute einen „Influencer“nennt und vermarkten Ihre Prominenz in den sozialen Netzwerken und als Bloggerin, nennen aber auch transparen­t Ihre Kooperatio­nspartner von der AOK, Supermarkt­ketten bis zu kalifornis­chen Trockenpfl­aumen. Was sagen Sie zu einer Gefahr wachsender Schleichwe­rbung durch Influencer-Marketing im Netz?

Schleichwe­rbung ist aktuell ein großes Thema und es ärgert mich selbst sehr, wenn ich sehe, dass andere Blogger Kooperatio­nen umsetzen, die ich abgelehnt habe. Beispielsw­eise, wenn ein Unternehme­n verlangt, dass die Zusammenar­beit nicht gekennzeic­hnet wird. Ich sage über 90 Prozent der Anfragen, die mich erreichen, ab und arbeite grundsätzl­ich nur mit Firmen zusammen, hinter denen ich stehe. Ich kaufe sowohl bei Edeka als auch bei Kaufland ein. Wenn ich eine Kooperatio­n eingehe, ist es mir ist wichtig,

„Ich mag die Begriffe Vollwertko­st und Vollwert ernährung nicht. Das klingt so altbacken und unsexy.“

Hannah Frey

dass mein Leser erkennt, dass ich für einen Beitrag bezahlt wurde.

Also Transparen­z ist entscheide­nd?

Frey: Bezahlte Beiträge auf meinen Kanälen zu veröffentl­ichen, finde ich absolut nicht verwerflic­h. Denn nur dadurch, dass ich Geld mit meiner Arbeit verdiene, hat der Leser überhaupt die Möglichkei­t, meine Rezepte und Inhalte kostenlos zu konsumiere­n. Würde ich kein Geld damit verdienen, hätte ich nicht die Möglichkei­t, so viel Arbeit und Zeit in den Blog und meine Social-Media-Kanäle zu stecken.

Zur Person Die 28 jährige Hambur gerin Hannah Frey zählt mit ihren In ternetseit­en projekt gesund leben.de und hannahfrey.de zu Deutschlan­ds be kanntesten Foodblogge­rinnen und propa giert eine moderne gesunde Ernäh rung. Die studierte Gesundheit­swissen schaftleri­n hat mehrere Kochbücher Bestseller geschriebe­n, zuletzt „Zuckerfrei: Die 40 Tage Challenge“(GU Verlag, 144 Seiten, 15,99 Euro) und „Clean Eating Basics“(GU Verlag, 144 Seiten, 16,99 Euro). Die 28 Jährige gibt in mehreren Städten Er nährungsku­rse.

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Foto: Fotolia Frische Früchte enthalten zwar auch Zucker – aber auch viele Ballaststo­ffe, Vitamine und Mineralsto­ffe.
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Foto: GU Verlag Autorin Hannah Frey: „Ungesundes ab und an ist voll in Ordnung.“
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