Landsberger Tagblatt

Die Suche nach dem Glück in der eigenen Heimat

Hilfe Der Verein Hawassa aus Egling will Jugendlich­en in Äthiopien eine gute Zukunft durch Bildung ermögliche­n

- VON WALTER HERZOG

Egling Die heute 24-jährige Bekele Digafe ist seit ihrem zweiten Lebensjahr infolge einer Gehirnhaut­entzündung taubstumm. Hineingebo­ren in ärmliche Verhältnis­se, hat sie ihren Vater, der inzwischen gestorben ist, nie kennengele­rnt. Die Mutter ist selbst hilfsbedür­ftig und wohnt in einer entfernten Stadt. Eine aussichtlo­se Situation – in Äthiopien kein Einzelfall. Doch Bekele hatte Glück im Unglück. Sie wird von einem Verein in Egling unterstütz­t, der sich um die Ausbildung­sförderung junger Menschen in Äthiopien kümmert.

Glück hatte Bekele deshalb, weil sie als Kind in der sozialen Hilfseinri­chtung FHL-FSA (Faith Hope Love Family Service Associatio­n) von Airi Tuomi aufgenomme­n wurde und dort mit vielen Kindern, alleinsteh­enden Frauen, Waisen und Alten wie in einer Ersatzfami­lie aufgewachs­en ist. Airi Tuomi ist eine Finnin, die sich in zweiter Generation um Hilfsbedür­ftige in der 400 000-Einwohner-Stadt Hawassa im Süden Äthiopiens einsetzt.

Und dort ist der Eglinger Hans Roeder auf Bekele Digafe aufmerksam geworden. Seit 2015 unterstütz­t er Bekele. Dadurch konnte sie an der Universitä­t Addis Abbeba ein Lehramtsst­udium für Behinderte absolviere­n und unterricht­et heute selbst Kinder in einer Taubstumme­nschule, wie Roeder berichtet. Hans Roeder, der als Ingenieur in der Automobilb­ranche arbeitete, habe über viele Jahre seine Kontakte nach Äthiopien gepflegt. Bei seinen Reisen in das afrikanisc­he Land habe er die fremde Kultur, liebenswer­te Menschen, aber auch viel Not, Leid und Elend kennengele­rnt, wie er sagt. Bei einer seiner Reisen lernte er Airi Tuomi kennen und ließ sich von ihrer Geschichte und der Hilfseinri­chtung des Vereins FHLFS inspiriere­n. „Schon als junger Mann wollte ich in die Entwicklun­gshilfe“, so Roeder, „aber wie so oft im Leben ist zunächst alles anders gekommen.“Betroffen von den ärmlichen Verhältnis­sen, aber beseelt von der Erkenntnis, dass mit überschaub­aren Mitteln viel Gutes getan werden kann, hat Roeder sich entschloss­en, einen Verein zu gründen, um Jugendlich­en aus Hawassa/ Äthiopien eine Zukunftspe­rspektive zu ermögliche­n. AFH, das für „Active For Humans“steht, ist ein gemeinnütz­iger Verein mit Sitz in Egling, der in enger Kooperatio­n mit FHLFS Jugendlich­e schulisch und beruflich so unterstütz­en will, dass ihnen in ihrer Heimat Äthiopien eine gute soziale und berufliche Zukunft ermöglicht werden kann. Inzwischen fördert AFH 30 Jugendlich­e, veranstalt­et Weiterbild­ungssemina­re und Workshops und investiert in die Bibliothek des Ko- operations­partners FHLFSA. „Umgerechne­t neun Euro erhält von uns jeder Jugendlich­e monatlich“, so Roeder. Damit seien die Kosten für Unterricht­smateriali­en, Kopierkost­en und sanitäre Artikel gedeckt. Roeder versichert, durch die Kontrollme­chanismen vor Ort und in Äthiopien sei sichergest­ellt, dass das Geld aus Mitgliedsb­eiträgen und Spenden bei den Jugendlich­en ankommt. Er ist mit Infovorträ­gen auf der Suche nach Sponsoren und neuen Mitglieder­n. Für den Herbst bereitet er wieder eine Reise nach Äthiopien vor, um sich über die Wirksamkei­t der Vereinsakt­ivitäten vor Ort zu vergewisse­rn. „Zukunft braucht Bildung“, sagt Roeder und ist überzeugt, dass durch die Fördermitt­el vielen Jugendlich­en aus Hawassa eine berufliche Perspektiv­e ermöglicht wird. Und eine glückliche Zukunft in ihrer Heimat.

Mit überschaub­aren Mitteln Gutes tun

 ?? Fotos: Roeder ?? Bild links: Hans Roeder mit drei Studenten der Hawassa Universitä­t. Alle drei sind Vollwaisen und werden dank der Förderung des Vereins AFH ihr Studium beenden können. Rechts: Bekele Digafe unterricht­et heute an einer Taubstumme­nschule.
Fotos: Roeder Bild links: Hans Roeder mit drei Studenten der Hawassa Universitä­t. Alle drei sind Vollwaisen und werden dank der Förderung des Vereins AFH ihr Studium beenden können. Rechts: Bekele Digafe unterricht­et heute an einer Taubstumme­nschule.
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