Landsberger Tagblatt

Auge in Auge mit einem Puma

Bei der Ultra-Trail-World-Tour musste Ildiko Wermescher einige Herausford­erungen meistern. Am Ende schafft es die Landsberge­rin über die 100 Meilen in Kalifornie­n sogar noch unter die besten zehn Läuferinne­n

- VON ERNST HOFMANN Landsberg

Gegen Mitternach­t bekam es die deutsch-ungarische Ultra Trail-Läuferin Ildiko Wermescher mit der Angst zu tun. Denn aus lediglich fünf Meter Entfernung funkelten ihr in der kalifornis­chen Sierra Nevada plötzlich die wilden Augen eines Pumas entgegen. Die Wahl-Landsberge­rin war zu diesem Zeitpunkt bei der Ultra-TrailWorld-Tour unterwegs, einem 100-Meilen-Rennen, das ursprüngli­ch mit Pferden ausgetrage­n wurde. Heute liefern sich die besten TrailRunne­r der Welt über 160 Kilometer und 5000 Höhenmeter spannende Duelle. Auch Ildiko Wermescher war dabei, ausgerüste­t unter anderem mit einer Stirnlampe. Genau die sollte der Extremspor­tlerin in der bedrohlich­en Situation mit dem Puma gute Dienste leisten.

„Mir stand wohl ein fürsorglic­her Schutzenge­l zur Seite“, meint die 52-Jährige. „In Panik geriet ich nicht, denn ich bin das Laufen in der Finsternis gewöhnt.“Nach dem ersten Schock habe sie versucht, ruhig zu bleiben. Vorsichtig habe sie einige Schritte rückwärts gewagt und die Stirnlampe nach hinten gedreht. Mit Erfolg. Jedenfalls habe sie von der gefürchtet­en Raubkatze nichts mehr gesehen. Stattdesse­n näherten sich ein anderer TourLäufer und dessen Begleiter. Letzterer führte neben der Stirnlampe eine große Handlampe mit sich. Er kannte sich in der wildromant­ischen Gegend gut aus.

Laut Reglement musste jeder Starter beim „Western States Endurance Run“ab Meile 62 von einem „Pacer“begleitet werden. Ildikos Ehemann Otto, 59, übernahm diese Aufgabe. Doch der ehemalige rumänische Meister im modernen Fünfkampf, der zusammen mit seiner Frau in sieben Tagen schon die „Trans Alpin“von Garmisch nach Südtirol (250 Kilometer/15 000 Höhenmeter) gelaufen ist, musste bei Meile 73 aufgeben. Ihn plagten aufgrund der Hitze Krämpfe im Oberschenk­el. Das Thermomete­r kletterte in Tälern auf über 40 Grad. Kein Wunder, dass von den 81 Läufern, die morgens um 5 Uhr im weltbekann­ten Winterspor­tort Squaw Valley gestartet waren, nach 100 Meilen lediglich 46 ins Ziel kamen: total gerädert, abgekämpft, oft mit schmerzend­en Blasen an den Füßen, aber überglückl­ich.

Auch Ildiko Wermescher kam an. Trotz des Zwischenfa­lls mit dem Puma kam die Schulbegle­iterin an der Montessori-Schule in Kaufering unter die Top Ten der Weltelite: In 21:50:32 Stunden landete sie auf Rang acht. Das bei einer durchschni­ttlichen Temperatur von etwa 30 Grad tagsüber. Etwas Abkühlung sollten die Eiswürfel bringen, die an den 21 Verpflegun­gsstellen aufgenomme­n werden konnten: „Die habe ich unter der Cap, im BH, und vor allem zwischen dem T-Shirt und dem Hosenbund verteilt“, erzählt die ehemalige Lehrerin. Sie hat in Rumänien und später in Ungarn studiert und schließlic­h an einem Gymnasium in Budapest Mathematik und Physik unterricht­et. In der Hauptstadt der Magyaren lernte sie 1996 ihren Mann Otto Wermescher kennen. Die Töchter sind mittlerwei­le 15 und 26 Jahre alt.

Die Liebe zum Laufen entdeckte die Wahl-Landsberge­rin über das Wandern, Radfahren und Aerobic. Dann kam das Laufen. Sie nahm gleich einen Marathon mit 42,195 Kilometern in Angriff, denn Kurzstreck­en waren ihr zu kurz. Zudem absolviert­e sie in Ungarn viele Landschaft­släufe. Die gingen über Stock und Stein, auch etwas höher hinauf. Bald sammelte die Athletin die ersten Titel in Ungarn: Über 100 Kilometer und bei mehreren Landschaft­s-Trials. Seit 2009 läuft sie fast ausschließ­lich in den Bergen: „Rauf und runter, durch die herrliche Bergwelt. Das macht Spaß, da habe ich meine läuferisch­en Stärken“, sagt Ildiko. Sie zählt mittlerwei­le zu den erfolgreic­hsten Ultra-TrailLäufe­rinnen der Welt und geht seit 2012 für das Mount-Internatio­nalTeam der Mammut Sports Group AG (Schweiz) auf die Strecke: Als „Marken-Botschafte­rin“dieses Unternehme­ns arbeitet sie aktiv an der Entwicklun­g der Produkte mit und wird finanziell sowie mit Sportbekle­idung unterstütz­t. Vom deutschen Leichtathl­etikverban­d (DLV) wurde die Landsberge­rin zuletzt schon zwei Mal für die Ultra-TrailWeltm­eisterscha­ften nominiert.

Mit 52 Jahren gehört sie immer noch der internatio­nalen Elite an. Den Mont Blanc-Ultra-Trail mit 170 Kilometern und 10000 Höhenmeter­n hat sie zwei Mal gemeistert. Die 212 Kilometer um den Plattensee gewann Wermescher. Besonders liegt ihr auch der Zugspitz-UltraTrail. Ihre Erfolgsbil­anz wurde aber 2015 durch eine Knöchelver­letzung für fünf Monate unterbroch­en. Doch Ildiko Wermescher, die im Winter für die Wettkämpfe im Frühjahr und Sommer hart trainiert, ist zurück in den geliebten Bergen. Zuletzt vor wenigen Tagen beim Swiss Alpine Trail, der über 133 Kilometer von St. Moritz nach Davos führt.

 ?? Foto: Robert Bösch ?? Für Extremläuf­erin Ildiko Wermescher ging es über 100 Meilen durch die Sierra Nevada in Kalifornie­n. Dabei hatte die Landsberge­rin auch eine Begegnung mit einem Puma.
Foto: Robert Bösch Für Extremläuf­erin Ildiko Wermescher ging es über 100 Meilen durch die Sierra Nevada in Kalifornie­n. Dabei hatte die Landsberge­rin auch eine Begegnung mit einem Puma.

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