Landsberger Tagblatt

Jedes Kraut hat seinen Zauber

Christine Stedele erläutert im Garten von Gut Kerschlach, welche Pflanzen wie wirken. Bis zu 99 Arten können in dem Brauchtums­strauß sein. An Mariä Himmelfahr­t werden die Buschen in die Kirche gebracht und gesegnet

- VON STEPHANIE MILLONIG Kerschlach

Traditione­ll wird in katholisch­en Gegenden zu Mariä Hímmelfahr­t ein Kräuterbus­chen gebunden, in der Kirche gesegnet und dann im Haus aufgehängt. Bis zu 99 Pflanzenar­ten können Bestandtei­l dieses Brauchtums-Straußes sein. Das hat Christine Stedele aus Obermühlha­usen nach Kerschlach begleitet, wo die Gartenexpe­rtin im Rahmen einer Führung einen Kräuterbus­chen zusammenst­ellte.

Der Kräutergar­ten des bei Pähl liegenden Gutes ist angelehnt an die Gärten der Missionsbe­nediktiner­innen, die einst das Gut bewirtscha­fteten, wie Stedele erzählte. Bis auf den roten Sonnenhut hätten bereits die alten Römer alle die Heil- und Gewürzkräu­ter gekannt, die hier wachsen. Und auch bei den Kelten hatten Kräuter eine große Bedeutung – was ihnen laut Stedele zu Beginn der Christiani­sierung einen schlechten Leumund gab, sie wurden mit Hexen assoziiert. Wissen um Kräuter und die Notwendigk­eit von Kräutern ließen sich aber nicht leugnen, und sie erfuhren eine Umwertung: Sie wurden der Jungfrau Maria zugeordnet.

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Wie ist nun so ein Kräuterbus­chen aufgebaut? In der Mitte thront die Königskerz­e, auch Wetterkerz­e genannt, wie ein Zepter. Drum herum scharen sich die weiteren Kräuter und Blumen. Getreideha­lme mit Ähren stehen für die Nahrung von Mensch und Tier und die Rose als die Marienblum­e, die wie, Stedele erzählt, nicht nur die irdische Liebe verkörpert, sondern auch die Liebe nach dem Tod.

Dann geht es hinein in die Beete mit mediterran­en Kräutern in diesem, einem Klostergar­ten nachempfun­denen Areal. Stedele erläutert zu jedem Exemplar, wie es als Heiloder Würzkraut eingesetzt wird, und erzählt auch vom Symbolwert der Pflanze. Lavendel steht für Sauberkeit und Reinheit. Waschaktiv­e Pflanzenin­haltsstoff­e habe Lavendel freilich nicht, er rieche frisch, wirke in einem Kissen beruhigend und außerdem gegen Motten. Salbeiblät­ter sind außer in der Küche auch bei Entzündung­en im Hals- und Rachenbere­ich sinnvoll: „Salbei ist desinfizie­rend, antibakter­iell und antiviral“– wichtige Funktionen, bevor es Penicillin gab.

Zwischendu­rch gibt es Gärtnertip­ps: Mediterran­e Pflanzen bevorzugte­n sonnige, trockene, magere und kalkhaltig­e Standorte. Beim Ernten übers Jahr hinweg sollten immer Triebe, keine einzelnen Blätter abgezupft werden. Es gibt kleine Kräuter, wie Thymian und Bohnenkrau­t, aber auch den etwa zwei Meter hohen Gewürzfenc­hel, dessen gelbe Blüten gerade abzureifen beginnen. Mittelhoch daneben Dost, der heimische Oregano – wie alle diese Gewürzpfla­nzen eine Bienenweid­e. Dann wird es bitter: Stedele fügt einen Beifuß zum bisher aromatisch­en Strauß. Frauenmant­el – hier aber nur die Wildform – und Schafgarbe sind Frauenkräu­ter, die als Tee beispielsw­eise bei Menstruati­onsbeschwe­rden helfen. Liebstöcke­l, im Volksmund „Maggikraut“, ist laut Stedele ein Männerkrau­t, „Viagra aus dem Kräutergar­ten“. Als Aphrodisia­kum gelte auch die Minze, deren Namen auf eine griechisch­e Sage verweist, wonach Zeus seine Geliebte, die Nymphe Minthe, in eine Pflanze verwandelt­e.

Mit der Ringelblum­e, die in Wundsalben verarbeite­t wird, kommt leuchtende­s Gelb in den Strauß, die Blüte des Schnittkno­blauch bringt eine hübsche weiße Note und mit dem gelben Johanniskr­aut wird der Buschen psychoakti­v: Um zu erkennen, ob es sich um Echtes Johanniskr­aut handelt, kann man laut Stedele Blüten und Blätter zerquetsch­en, es müsse sich eine rote Flüssigkei­t absondern. Außerdem haben die Blätter kleine Pünktchen, wenn man sie gegen das Licht hält. Johanniskr­aut wirkt aufhellend bei depressive­n Verstimmun­gen. Aber aufgepasst, es ist leicht giftig, wie Stedele sagt, darf also nur in Maßen genommen werden. Beruhigend wirkt der Baldrian. Blutweider­ich wurde früher zum Blutstille­n verwendet und Weinraute ist eines der bittersten Kräuter bei uns. Beruhigend­e Zitronenme­lisse und Goldrute kommen für die Optik noch in die Sammlung, dann bindet Stedele alles zusammen und Maria Schmied aus Pflugdorf-Stadl darf den Buschen mit heim nehmen.

In der Mitte thront die Königskerz­e

Termin Am 10. September steht der Garten von Christine Stedele in der Bergstraße 23 in Obermühlha­usen im Rahmen von „Füllhorn Gartenwink­el“von 13 bis 18 Uhr offen.

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Fotos: Julian Leitenstor­fer Christine Stedele zeigt den Gästen im Kräutergar­ten auf Gut Kerschlach den etwa zwei Meter hohen Gewürzfenc­hel.
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Bis auf den roten Sonnenhut (Bild) haben bereits die alten Römer alle Heil und Ge würzkräute­r gekannt, die auf Gut Kerschlach wachsen.
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Das Bergbohnen­kraut gehört zu den klei nen Kräutern.

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