Landsberger Tagblatt

Gemeinsam durch sieben Jahrzehnte

Liselotte und Ludwig Holz aus Utting sind seit 70 Jahren verheirate­t. Die beiden verraten, worauf es in einer guten Beziehung wirklich ankommt

- VON DAGMAR KÜBLER

Utting Heute vor 70 Jahren haben sich Liselotte und Ludwig Holz aus Utting das Jawort gegeben. 89 und 94 Jahre alt sind die beiden, und wer ihnen begegnet, stellt fest, dass die Jubilare noch gut in Schuss sind – und auch die Ehe. 70 gemeinsame Jahre, darauf können nur wenige Paare zurückblic­ken. Da muss die Gesundheit stimmen, um überhaupt in den Genuss eines so hohen Alters zu kommen. Die Zuneigung muss bestehen bleiben, die Wertschätz­ung. Gemeinsame Interessen sind zu suchen und zu bewahren, aber auch eigene Hobbys und Vorlieben. Die Mischung macht’s, Nähe und Distanz, so scheint es, sind der Schlüssel zu langjährig­er Partnersch­aft.

Beim Ehepaar Holz stimmt die Chemie, das merkt man sofort. Wenn einer erzählt, ist der andere still, hört zu. Beim Fotoshooti­ng an verschiede­nen Plätzen im regennasse­n Garten haben die beiden viel zu lachen – schaut man sich jetzt lieber an oder in die Kamera? –, bei so viel spontaner guter Laune ist ein „Cheese“des Fotografen gar nicht notwendig.

Das Leben hat es gut gemeint mit dem Ehepaar Holz. Zwei Kinder, Wolfgang und Walter, sind aus der Ehe hervorgega­ngen, und am Hochzeitst­ag war immer schönes Wetter, wie Lieselotte Holz schmunzeln­d sagt. Beide stammen aus Obermenzin­g. Nach dem Zweiten Weltkrieg, an dem Ludwig Holz als Leutnant Offizier teilnahm, lernten sie sich kennen. Die Sitten waren damals noch streng. So durfte die 18-jährige Lieselotte nur zusammen mit ihrer älteren Schwester ausgehen. Schnell funkte es zwischen den jungen Leuten, sie entdeckten ihre erste gemeinsame Leidenscha­ft, das Bergwander­n.

Während Lieselotte im elterliche­n Fotogeschä­ft eine Ausbildung machte, absolviert­e Ludwig den einjährige­n Abiturient­enlehrgang zum Lehrer. „Die Vorlesunge­n fanden damals im Kinosaal statt“, erinnert er sich. Es herrschte Lehrermang­el, denn Lehrer mit Parteizuge­hörigkeit hatten ihren Platz räumen müssen. So folgte schnell die Anstellung als Lehrer in Oberhausen, nördlich des Staffelsee­s. Die Lehrerwohn­ung, ohne Bad und fließendes Wasser, kostete damals monatlich 7,20 DM, bei einem Verdienst von 200 DM.

Geheiratet hat das Paar 1947, im geliehenen Brautkleid, das Fest wurde mithilfe der Lebensmitt­elmarken bestritten, für die Heirat gab es eine extra Portion Milch, erinnert sich Lieselotte. Nach dem Zweiten Staatsexam­en zog das Paar nach Weil in eine Dreizimmer­wohnung - mit Bad. Dort war Holz 14 Jahre lang Schulleite­r und ab 1966 bis zum Ruhestand mit 61 Jahren Rektor an der Grund- und Hauptschul­e in Utting. „Das waren paradiesis­che Zeiten“, schwärmt Holz, der mit Leib und Seele Lehrer war. Damals waren circa 450 Kinder an der Schule. Mathe, Physik und Sport waren seine Lieblings-Untererste richtsfäch­er. Schüler aus 17 Klassen hat er eine Zeit lang durchs Leben begleitet, noch heute freut er sich, wenn er ehemalige Schüler trifft.

Seit 51 Jahren wohnt das Ehepaar Holz nun in Utting. 1969 wurde gebaut, damals kostete der Quadratmet­er Bauland noch 45 DM. Haus und Garten sind genauso in Schuss wie die Bewohner. Gartenarbe­it ist die Domäne von Lieselotte, Sohn Wolfgang übernimmt dabei die schweren Arbeiten. Die Uttinger wissen jedoch: Lieselotte trifft man am besten beim Schwimmen am Ammersee. Ab 18 Grad Celsius Wassertemp­eratur ist sie bei guten Wetter dort bereits früh morgens anzutreffe­n – und am Nachmittag nicht selten noch einmal. Immer ist sie mit dem Fahrrad unterwegs, weil es in Utting auch mal bergauf geht, ist es mittlerwei­le ein E-Bike. „Immer in Bewegung bleiben“, ist die Devise des Ehepaars. Noch mit 83 Jahren ging Ludwig mit Sohn Walter auf mehrtägige Bergtouren.

Die große Leidenscha­ft der beiden Jubilare aber war das Reisen. „30 Jahre lang waren wir jedes Jahr über 100 Tage unterwegs“, hat Ludwig errechnet und zeigt stolz die Landkarte, auf der er alle Reiseroute­n eingezeich­net hat. Insgesamt 28 Länder, ganz Europa, aber auch Aleppo, Bagdad und Damaskus hat das Paar gesehen – mit Ausnahme von England, wegen dem Linksverke­hr, scherzt Ludwig – zumeist mit dem Wohnmobil, aber auch mit Busreisen. Auch lange Radtouren, zum Beispiel entlang der Donau bis in die Wachau, standen auf dem Programm. Aus gesundheit­lichen Gründen wurden die Reisetage seit circa drei Jahren weniger, und das abenteuerl­ustige Paar besinnt sich nun gerne auf die Schönheit der Region und die Annehmlich­keiten von Heilbädern.

Wer auf ein so erfülltes gemeinsame­s Leben blicken darf, ist dankbar. Und dennoch: Die Freunde fehlen. Die allermeist­en sind seit Langem verstorben. Gleichaltr­ige gibt es kaum noch. Das Studieren von Todesanzei­gen in der Zeitung gehöre zur täglichen Routine. So wird heute im kleinen Kreis gefeiert und mit Zuversicht und Neugier auf die kommenden Jahre geblickt.

Bevor der Besuch bei Familie Holz zu Ende geht, führt der Weg noch in den Keller: Dort steht das Steckenpfe­rd von Ludwig – die Eisenbahn. Ehemals entstanden auf einer Tischtenni­splatte, mittlerwei­le ausgeweite­t auf vier Ebenen, füllt sie fast den gesamten Heizungske­ller. Ludwig setzt die Schaffnerm­ütze auf, Lieselotte blickt ein wenig verlegen – mit 94 ist der Mann eben immer noch ein Lausbub.

 ?? Foto: Dagmar Kübler ?? Das Ehepaar Holz freut sich über 70 gemeinsame Jahre. Das von Ludwig Holz selbst gefertigte Windspiel erscheint wie ein Symbol für die langjährig­e Ehe.
Foto: Dagmar Kübler Das Ehepaar Holz freut sich über 70 gemeinsame Jahre. Das von Ludwig Holz selbst gefertigte Windspiel erscheint wie ein Symbol für die langjährig­e Ehe.

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