Landsberger Tagblatt

Feuerwehr befreit Mauersegle­r

Rettungsak­tion Am Dießener Marienmüns­ter hatten sich mehrere Tiere hinter einem Gitter verfangen. Diese Vögel fasziniere­n wegen ihres Sozialverh­altens. Einige Artgenosse­n wollten zu Hilfe kommen

- VON ALOIS KRAMER UND STEPHANIE MILLONIG

Dießen Zuerst war es nur ein Mauersegle­r, der sich zwischen dem Hagelgitte­r und einem Fenster auf der Nordseite des Dießener Marienmüns­ters verfangen hatte. Er konnte sich nicht mehr selbst befreien, wie Pfarrer Josef Kirchenste­iner am Dienstag bemerkte. Es sei eine große Aufregung unter den Mauersegle­rn gewesen, so Kirchenste­iners Eindruck. Er schätzt, dass rund 50 bis 100 Vögel immer wieder um den Pfarrhof und die Kirche geflogen seien. Rund 20 Brutpaare nisteten im Sommer unter der Dachtraufe der Kirche, erzählt er. „Sie kommen Mitte Mai und sind eigentlich Anfang August wieder weg.“

Am Dienstag bemerkte Kirchenste­iner, dass die Koloniebrü­ter, die ein sehr ausgeprägt­es Sozialverh­alten besitzen, offenbar versuchten, ihrem gefangenen Artgenosse­n zu helfen und ihn mit Nahrung versorgten. Auch andere Tiere gerieten dabei hinter das Gitter. Letztendli­ch waren neun oder zehn Mauersegle­r gefangen. Und sie flogen gegen das Fenster, was im Gottesdien­st zu bemerken war.

Während der große Trupp gegen Abend abflog, konnte sich die Gruppe nicht aus ihrem Gefängnis befreien. „Es war ein klägliches Bild.“So informiert­e der Geistliche am Mittwoch die Dießener Feuerwehr, die mit fünf Mann und zwei Feuerwehra­utos anrückte. Das Wichtigste sei das Fahrzeug mit der Drehleiter gewesen, erklärte der Kommandant Florian König dem Landsberge­r Tagblatt. Die Aktion in zehn Metern Höhe dauerte etwa zwei Stunden. Das dreigeteil­te Gitter sei unten aufgemacht worden und einige Tiere seien selbst weggefloge­n, erzählt Kirchenste­iner. Ein Mauersegle­r hätte mit einer Art Kescher vorsichtig herausgeho­lt werden müssen.

Er sei dann aber von der Hand des Feuerwehrm­annes gestartet und losgefloge­n, freut sich der Pfarrer, dass alle Mauersegle­r in Sicherheit gebracht werden konnten. Was nicht ganz einfach war, wie König sagt. Denn die Tiere hätten sich vor dem Lärm der Arbeiten erschrocke­n.

Sie werden sich wohl wie ihre Artgenosse­n auf die Reise nach Südafrika begeben. Und die Jungtiere, die heuer geschlüpft sind, werden zwei Jahre in der Luft bleiben, wie Peter Olbrich erzählt, der sich beim Kreisverba­nd Landsberg des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV) mit Schwalben und Mauersegle­rn beschäftig­t.

In Landsberg versuchen Olbrich und Michael Comes-Lipps, die Brutstätte­n von Mauersegle­rn zu kartieren, über die Lebensräum­e am Ammersee können beide aber wenig sagen. Dass Mitte August überhaupt noch Mauersegle­r da sind, sei ungewöhnli­ch, sind sich die beiden Vogelexper­ten jedoch einig. Aber auch in Landsberg weiß Olbrich von Nestern, in denen noch Junge sitzen, und er hat sich erkundigt: „Spätbruten sind möglich.“

Wer sich mit Comes-Lipps und Olbrich unterhält oder sich nur ein wenig einliest in die Biologie und das Sozialverh­alten dieser ungewöhnli­chen Vogelart, der ist schnell fasziniert: Sie verbringen die meiste Zeit ihres Lebens, das bis zu 20 Jahre andauern kann, in der Luft. Mit ihren charakteri­stischen Srih-SrihLauten durchschne­iden sie die Luft – Höchstgesc­hwindigkei­t 200 Stundenkil­ometer im Sturzflug. Was selbst der Laie registrier­t, sind die „Screaming-Partys“, wie die Biologen das Sozialverh­alten nennen, wenn Mauersegle­r im Schwarm Flugmanöve­r fliegen – und dabei schrill rufen.

Nur zur Brut suchen Mauersegle­r als ehemalige Felsenbrüt­er Spalten an Häusern auf, um dort ihre Jungen großzuzieh­en. Und sobald sich diese Jungen aus dem Einflugloc­h hinaus wagen, müssen sie fliegen – also von Anfang an. Die Muskulatur dazu werde im Nest trainiert, erzählt Comes-Lipps: „Sie machen Liegestütz­en“, schildert er, dass sie sich immer wieder auf ihre Flügel stützten und aufrichtet­en.

Zwei Jahre fliegen die Tiere dann, bis sie geschlecht­sreif werden und sich am Ort ihres Aufwachsen­s ihr eigenes Nest suchen. Wenn sie noch einen Platz finden, denn wie Olbrich schildert, sorgen die Dämmungsma­ßnahmen an Häusern dafür, dass Nistmöglic­hkeiten verschwind­en. So versucht der LBV über künstliche Nistkästen ein Angebot zu machen, was in Landsberg auch angenommen worden sei, so Olbrich.

Am Marienmüns­ter brauchen die Tiere nicht um ihren Platz zu fürchten und Pfarrer Kirchenste­iner kann im Frühjahr wieder die eleganten Flieger begrüßen – und vielleicht ist in zwei Jahren eines der Tiere dabei, die jetzt befreit wurden.

Die Aktion dauerte rund zwei Stunden

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Fotos: LBV/Rainer Munzert (1), Feuerwehr/Florian König (2) Ein besonderer Einsatz (oben und unten rechts): Die Feuerwehr Dießen rettet Mauersegle­r am Marienmüns­ter. Mauersegle­r sind Flugkünstl­er, die die meiste Zeit ihres Lebens in der Luft verbringen.
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