Feuerwehr befreit Mauersegler
Rettungsaktion Am Dießener Marienmünster hatten sich mehrere Tiere hinter einem Gitter verfangen. Diese Vögel faszinieren wegen ihres Sozialverhaltens. Einige Artgenossen wollten zu Hilfe kommen
Dießen Zuerst war es nur ein Mauersegler, der sich zwischen dem Hagelgitter und einem Fenster auf der Nordseite des Dießener Marienmünsters verfangen hatte. Er konnte sich nicht mehr selbst befreien, wie Pfarrer Josef Kirchensteiner am Dienstag bemerkte. Es sei eine große Aufregung unter den Mauerseglern gewesen, so Kirchensteiners Eindruck. Er schätzt, dass rund 50 bis 100 Vögel immer wieder um den Pfarrhof und die Kirche geflogen seien. Rund 20 Brutpaare nisteten im Sommer unter der Dachtraufe der Kirche, erzählt er. „Sie kommen Mitte Mai und sind eigentlich Anfang August wieder weg.“
Am Dienstag bemerkte Kirchensteiner, dass die Koloniebrüter, die ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten besitzen, offenbar versuchten, ihrem gefangenen Artgenossen zu helfen und ihn mit Nahrung versorgten. Auch andere Tiere gerieten dabei hinter das Gitter. Letztendlich waren neun oder zehn Mauersegler gefangen. Und sie flogen gegen das Fenster, was im Gottesdienst zu bemerken war.
Während der große Trupp gegen Abend abflog, konnte sich die Gruppe nicht aus ihrem Gefängnis befreien. „Es war ein klägliches Bild.“So informierte der Geistliche am Mittwoch die Dießener Feuerwehr, die mit fünf Mann und zwei Feuerwehrautos anrückte. Das Wichtigste sei das Fahrzeug mit der Drehleiter gewesen, erklärte der Kommandant Florian König dem Landsberger Tagblatt. Die Aktion in zehn Metern Höhe dauerte etwa zwei Stunden. Das dreigeteilte Gitter sei unten aufgemacht worden und einige Tiere seien selbst weggeflogen, erzählt Kirchensteiner. Ein Mauersegler hätte mit einer Art Kescher vorsichtig herausgeholt werden müssen.
Er sei dann aber von der Hand des Feuerwehrmannes gestartet und losgeflogen, freut sich der Pfarrer, dass alle Mauersegler in Sicherheit gebracht werden konnten. Was nicht ganz einfach war, wie König sagt. Denn die Tiere hätten sich vor dem Lärm der Arbeiten erschrocken.
Sie werden sich wohl wie ihre Artgenossen auf die Reise nach Südafrika begeben. Und die Jungtiere, die heuer geschlüpft sind, werden zwei Jahre in der Luft bleiben, wie Peter Olbrich erzählt, der sich beim Kreisverband Landsberg des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) mit Schwalben und Mauerseglern beschäftigt.
In Landsberg versuchen Olbrich und Michael Comes-Lipps, die Brutstätten von Mauerseglern zu kartieren, über die Lebensräume am Ammersee können beide aber wenig sagen. Dass Mitte August überhaupt noch Mauersegler da sind, sei ungewöhnlich, sind sich die beiden Vogelexperten jedoch einig. Aber auch in Landsberg weiß Olbrich von Nestern, in denen noch Junge sitzen, und er hat sich erkundigt: „Spätbruten sind möglich.“
Wer sich mit Comes-Lipps und Olbrich unterhält oder sich nur ein wenig einliest in die Biologie und das Sozialverhalten dieser ungewöhnlichen Vogelart, der ist schnell fasziniert: Sie verbringen die meiste Zeit ihres Lebens, das bis zu 20 Jahre andauern kann, in der Luft. Mit ihren charakteristischen Srih-SrihLauten durchschneiden sie die Luft – Höchstgeschwindigkeit 200 Stundenkilometer im Sturzflug. Was selbst der Laie registriert, sind die „Screaming-Partys“, wie die Biologen das Sozialverhalten nennen, wenn Mauersegler im Schwarm Flugmanöver fliegen – und dabei schrill rufen.
Nur zur Brut suchen Mauersegler als ehemalige Felsenbrüter Spalten an Häusern auf, um dort ihre Jungen großzuziehen. Und sobald sich diese Jungen aus dem Einflugloch hinaus wagen, müssen sie fliegen – also von Anfang an. Die Muskulatur dazu werde im Nest trainiert, erzählt Comes-Lipps: „Sie machen Liegestützen“, schildert er, dass sie sich immer wieder auf ihre Flügel stützten und aufrichteten.
Zwei Jahre fliegen die Tiere dann, bis sie geschlechtsreif werden und sich am Ort ihres Aufwachsens ihr eigenes Nest suchen. Wenn sie noch einen Platz finden, denn wie Olbrich schildert, sorgen die Dämmungsmaßnahmen an Häusern dafür, dass Nistmöglichkeiten verschwinden. So versucht der LBV über künstliche Nistkästen ein Angebot zu machen, was in Landsberg auch angenommen worden sei, so Olbrich.
Am Marienmünster brauchen die Tiere nicht um ihren Platz zu fürchten und Pfarrer Kirchensteiner kann im Frühjahr wieder die eleganten Flieger begrüßen – und vielleicht ist in zwei Jahren eines der Tiere dabei, die jetzt befreit wurden.
Die Aktion dauerte rund zwei Stunden