Lebensretter Smartphone?
Überblick Rettungsorganisationen setzen auf das Handy als Notfall-Assistent. Was ihre Erste-Hilfe-Apps leisten können – und was nicht
Plötzlicher Herztod ist in Deutschland die Todesursache Nummer drei. Jedes Jahr sterben etwa 70 000 Menschen, obwohl der Rettungsdienst im Schnitt acht bis 15 Minuten nach Eingang des Notrufs mit der Reanimierung beginnt. Bei einem Herzinfarkt entscheidet jede Sekunde darüber, ob der Betroffene überlebt. Deshalb können Laien Leben retten, wenn sie sofort mit der Wiederbelebung beginnen. ErsteHilfe-Apps wollen dabei unterstützen. Doch was leisten digitale Notfallpässe und Anleitungen wirklich?
Viele Smartphones verfügen mittlerweile unabhängig vom Betriebssystem über einen vorinstallierten Notfallpass, der auch bei gesperrtem Bildschirm eingesehen werden kann. Besitzer älterer Smartphones können sich Apps wie Notfall ID (Android) auf ihr Handy laden. Darüber bekommen Helfer im Notfall theoretisch wichtige Informationen wie Name, Notfallkontakt, Blutgruppe und Allergien.
Eine größere Unterstützung in der Praxis sind Erste-Hilfe-Apps. Das Deutsche Rote Kreuz bietet gleich zwei Apps an: Die erste, Mein DRK, ist kostenlos. Nutzer finden dort Notrufnummern und die Rubrik „Mein kleiner Lebensretter“. Darunter ist erklärt, wie man Notfälle, beispielsweise einen Schlaganfall oder Herzinfarkt, erkennt und reagiert. Die Anleitungen sind aber eher nichts für den Notfall. Sie sind zu lang, und zu den wichtigen Tipps muss man erst scrollen.
Die zweite DRK-App im Bunde heißt Erste Hilfe. Sie kostet für Androiden 89 Cent und für iPhones 1,09 Euro. Sie beinhaltet neben dem Kleinen Lebensretter eine interaktive Begleitung im Notfall durch JaNein-Fragen. Außerdem kann man über die App einen Notruf absetzen.
Die App Notfall Hilfe der Pass Consulting Group listet übersichtlich Notfallszenarien auf und erklärt, was zu tun ist. Über die App kann der Nutzer außerdem einen Notruf absetzen und sich etwa den passenden Rhythmus für eine Herzdruckmassage vorspielen lassen. Die App bestimmt auch die aktuelle Position und kann sie versenden.
Die App der Deutschen Herzstif tung ist nur auf Herz-Notfälle spezialisiert. Dafür ist sie äußerst übersichtlich und führt mit klaren JaNein-Fragen auch durch Notsituationen. Aus der App heraus lässt sich außerdem ein Notruf absetzen.
Prof. Bernd Böttiger ist Experte für Wiederbelebung. Er erklärt, dass die Schritte „Prüfen, Rufen, Drücken“im Ernstfall besonders wichtig sind und ihre Berücksichtigung deshalb unter anderem eine gute App ausmachen. Die App der Deutschen Herzstiftung folgt genau diesen Schritten und ist als einzige App ausreichend übersichtlich, um sie in einer Notsituation einigermaßen schnell bedienen zu können.
Der Intensivmediziner sieht Notfall-Apps aber grundsätzlich kritisch: „Wenn man einen Notruf absetzt, kann die Leitstelle telefonisch kompetentere Hilfe bei der Reanimation leisten und viel besser auf den Ersthelfer eingehen.“Außerdem sei der Nutzen solcher Apps bis heute noch nicht wissenschaftlich belegt. Pauline Sickmann, dpa