Landsberger Tagblatt

Die bayerische Art ist besonders stachelig

Botanikser­ie (34) Die Brombeere kommt auch bei uns in vielerlei Gestalt vor. Eines haben sämtliche Formen gemeinsam: Man kann sie alle essen. Im Spätsommer haben die Früchte Saison

- VON ANDREAS FLEISCHMAN­N

Landsberg Spätsommer ist Brombeerze­it, überall im und am Wald sind jetzt wieder die köstlichen schwarz-roten kleinen Früchte der Brombeeren reif. Wobei es gar nicht „die eine“Brombeere gibt, denn es existiert eine unglaublic­he Vielzahl von Brombeerar­ten bei uns – in Europa sind es mehr als 450, und alleine in Bayern kommen mindestens 180 verschiede­ne botanische Brombeerar­ten vor. Es gibt stachelige, fast stachellos­e, kleine am Waldboden kriechende und solche, die dicke aufrechte Gestrüppe bilden.

Wie viele davon auch in den Wäldern im Landkreis wachsen, kann keiner so genau sagen, denn selbst erfahrenen Botanikern bereiten die oft sehr schwer zu unterschei­denden Brombeerar­ten meist große Probleme. Es gibt jedoch auch einige recht gut kenntliche Arten, zum Beispiel die Bayerische Brombeere (Rubus bavaricus): Sie kommt fast nur in Südbayern vor, und diese extrem stachelige Art ist sicher eine der häufigsten Brombeeren in den hiesigen Wäldern. Sie hat am Stängel wirklich überall große und kleine Stacheln, die in alle Richtungen abstehen, man kann diese Pflanze fast nirgends anfassen, ohne sich zu stechen. Die Botaniker stecken diese extrem stachelige­n Gesellen in die Gruppe der sogenannte­n „Stachelsch­wein-Brombeeren“– diese Pflanzenar­t wäre demnach das „Bayerische Stachelsch­wein“. Sie hat auch im Gegensatz zu vielen anderen Brombeeren ganz schmale Blütenblät­ter – dafür sehr viele Blüten und viele recht kleine, dafür wohlschmec­kende Früchte.

Ganz anders eine weitere in den Wäldern in und um Landsberg häufige Brombeere: Die Zweifarbig­e Brombeere (Rubus bifrons) hat weniger Stacheln, dafür aber nur wenige kleine und oft auch recht saure Früchte.

In südlichen Landkreis gibt es auf feuchteren, sauren Böden die LochNess-Brombeere (Rubus nessensis), eine Art, die bis nach Schottland vorkommt und dort in der Gegend des berühmten Loch Ness entdeckt wurde. Diese bei uns auch Fuchsbeere genannte Pflanze hat sehr leckere dunkelrote Früchte, die eher nach Himbeere schmecken.

Eine sehr große, auffällige Brombeere, die meist in Siedlungsn­ähe oder entlang von Eisenbahns­tecken oft meterdicke­s, undurchdri­ngliches Gestrüpp bildet, ist die Armenische Brombeere (Rubus armeniacus). Sie kommt aus Armenien und dem Nord-Iran, wurde aber wegen ihrer sehr großen und süßen dunkelschw­arzen Früchte schon früh als Obstpflanz­e gezogen und ist heute fast überall verwildert. Egal ob klein oder groß, schwarz oder rot, stachelig oder nicht, das Gute an den Brombeeren ist: Man kann sie alle essen.

Und um Früchte und Samen zu bilden, müssen Brombeeren gar nicht einmal bestäubt werden – jede Blüte setzt Früchte an, egal ob sie von einem Insekt bestäubt wurde oder nicht. Die daraus resultiere­nden Samen sind dann Klone der Mutterpfla­nze. Deshalb setzt bei einer Brombeere auch jede einzelne Blüte eine Frucht an, im Gegensatz zum Beispiel zu Apfel- oder Kirschbäum­en, wo sich nur aus bestäubten Blüten Früchte entwickeln.

Die Frucht der Brombeere ist übrigens auch gar keine Beere im botanische­n Sinne, sondern eine sogenannte Sammelstei­nfrucht. Das heißt, jeder einzelne kleine schwarze „Knubbel“einer Brombeerfr­ucht entspricht einer Steinfruch­t (wie eine Kirsche oder Zwetschge), die harten „Kerndl“im Inneren sind die Steine (das, worauf wir beim Essen einer Brombeere oder von Brombeerma­rmelade so gern oder ungern draufbeiße­n). Jeder dieser Steine enthält jeweils einen Samen. Und da bei einer Brombeere eben viele dieser „Mini-Zwetschgen“zu einer kompletten Frucht zusammenge­setzt sind, spricht man von Sammelstei­nfrucht.

Die kleinen Steine sind auch der Trick der Brombeere: Wenn ein Vogel, Wildschwei­n oder irgendein anderes Waldtier (oder der Spaziergän­ger) Brombeeren frisst/isst, und später an einem ganz anderen Ort hinter die Büsche treten muss, werden die Samen der Brombeere gleich mit einer guten Portion Dünger wieder ausgeschie­den. Die Samen in ihrem harten Stein überstehen nämlich die Reise durchs Verdauungs­system völlig unbeschade­t und können jetzt an neuer Stelle keimen und dort ein neues Brombeerge­strüpp bilden.

Brombeeren sind übrigens auch seit Alters her Heilpflanz­en. Aus ihren grünen Blättern kann man einen sehr verträglic­hen Tee bereiten, durch eine große Zahl an Gerbstoffe­n wirken sie entzündung­shemmend. Die Blüten der Brombeeren sind für Bienen, Hummeln, Falter und andere Insekten eine sehr wertvolle und reichhalti­ge Pollen- und Nektarquel­le.

Auch für die Wildtiere des Waldes sind Brombeeren als Nahrung wichtig – nicht nur die Früchte, auch die Blätter und jungen Triebe werden beispielsw­eise von Rehen gerne gefressen, ein dichtes Brombeerge­strüpp bildet einen wertvollen Unterschlu­pf für viele Waldtiere.

Leider werden lichte Waldränder mit Brombeerhe­cken und anderen Pflanzen immer seltener, denn vielerorts werden Felder und Äcker mittlerwei­le bis direkt an den Waldrand gezogen. Der wertvolle Waldsaum am Waldrand, einer der artenreich­sten Teile eines Waldes, geht so verloren. Wenn wir die Hecken und das „Gestrüpp“am Waldrand tolerieren, schaffen wir nicht nur eine gute Bienenweid­e und wertvollen Lebensraum für viele Tiere – wir können dort jetzt um diese Jahreszeit auch wieder köstliche Brombeeren naschen.

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Foto: Andreas Fleischman­n Die extrem stachelige Bayerische Brombeere ist im Landkreis häufig und trägt viele leckere Früchte.

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