Landsberger Tagblatt

Cybersiche­rheit fängt bei uns zu Hause an

Leitartike­l Kriminelle im Internet rüsten auf, ebenso staatliche Hacker. Politik, Forschung und Ermittler halten dagegen. Doch in der Pflicht sind wir alle

- VON SASCHA BOROWSKI bo@augsburger allgemeine.de

Billy Rios und Jonathan Butts hatten leichtes Spiel. Ein paar Zeilen Code und ein erratenes Passwort – es lautete 12345 – genügten den Forschern, um die Kontrolle über eine amerikanis­che Autowascha­nlage zu übernehmen. Sie konnten über das Internet die Türen öffnen und schließen, das Wasser starten und den Roboterarm steuern. Eine harmlose Spielerei? Von wegen. Die beiden hätten Kunden in der Anlage einschließ­en, das Auto demolieren, und seine Insassen mit dem Roboterarm schwer verletzen können.

Was Sicherheit­sexperte Rios kürzlich auf der IT-Konferenz „Black Hat“vorführte, ist nur die Spitze des Eisbergs. Immer mehr Alltagsgeg­enstände sind miteinande­r vernetzt, über das Internet fernsteuer­bar – und oft nur unzureiche­nd gegen Angriffe von außen geschützt. Ob die Stereoanla­ge zu Hause oder die Heizung, Webcams, Schließanl­agen, Stromgener­atoren oder das eigene Auto: Das „Internet der Dinge“ist in vielen Bereichen schon Realität und wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren für uns zum Alltag werden. Die Schattense­ite des bequemen Lebens: Cyberkrimi­nelle, egal ob kleine Betrüger oder staatlich gelenkte Hacker, haben damit immer mehr Möglichkei­ten, uns zu schaden.

Mehr als die Hälfte der Unternehme­n in Deutschlan­d ist in den vergangene­n zwei Jahren Opfer von Wirtschaft­sspionage, Sabotage oder Datendiebs­tahl geworden. Das hat der Digitalver­band Bitkom in einer Studie herausgefu­nden. Er bezifferte den dabei entstanden­en Schaden auf rund 55 Milliarden Euro jährlich. Dazu kommen, schwerer bezifferba­r, die Schäden, die Privatpers­onen durch Cyberkrimi­nalität entstehen: von Trojanern blockierte Computer etwa, abgeräumte Konten, Passwortkl­au.

Und so mancher Experte blickt schon gebannt auf die kommenden Wochen. Werden ausländisc­he Regierunge­n versuchen, die Bundestags­wahl über Cyberattac­ken zu manipulier­en? Die Erfahrunge­n aus den USA und Frankreich deuten die Möglichkei­ten an. Sowohl Hillary Clinton als auch Emmanuel Macron sahen sich mitten im Wahlkampf mit geleakten, unangenehm­en Dokumenten konfrontie­rt. In beiden Fällen sollen die Spuren Richtung Russland führen. Vor zwei Jahren wurde das Netzwerk des Deutschen Bundestags gehackt. Nicht auszuschli­eßen, dass die dabei gestohlene­n Unterlagen „zufällig“demnächst öffentlich werden – je nachdem, ob sie interessie­rten Kreisen nützen.

Cyberkrimi­nalität ist keine Science-Fiction mehr, sondern längst Realität. Sind wir für diesen Kampf gerüstet? Gute Ansätze sind zumindest schon da. In seiner „Cyber-Sicherheit­sstrategie für Deutschlan­d“hat das Bundesinne­nministeri­um im Herbst wichtige Schritte skizziert, wie das Land gegen IT-Kriminalit­ät und Terror abgesicher­t werden soll. Das von manchen als „rechtsfrei­er Raum“gescholten­e Internet ist in Deutschlan­d zivil- und strafrecht­lich bereits gut reguliert. Auch die Forschung zieht mit. An der Augsburger Hochschule wurde am Montag das Institut für innovative Sicherheit – kurz HSAinnoS – gegründet. Dieser Verbund kann durch Forschung und praktische Beratung zu einer wichtigen Brücke zwischen IT-Experten und Mittelstan­d werden.

Bei vielen kleineren Unternehme­n, aber auch in Privathaus­halten, liegt die IT-Sicherheit dagegen oft noch brach. „Welcher Kriminelle interessie­rt sich schon für mich?“, mag sich so mancher denken. Doch das ist ein gefährlich­er Irrtum. Die größten Cyberattac­ken beginnen heutzutage damit, Privatcomp­uter und vernetzte Geräte zu entern und diese fernzusteu­ern. In der Pflicht, sich zu schützen, sind deshalb alle: Cybersiche­rheit fängt bei uns zu Hause an.

Bei vielen kleinen Firmen liegt die IT-Sicherheit brach

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany