Landsberger Tagblatt

Unerlaubte Beratung zum Babyglück?

Justiz Eine Augsburger Sozialpäda­gogin soll Frauen mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch an ausländisc­he Kliniken vermittelt haben. Es ist der erste Strafproze­ss dieser Art in Deutschlan­d

- VON PETER RICHTER

Augsburg Für ein Baby sind Paare mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch bereit, weite Wege zu gehen. Etwa nach Berlin, wo im Februar an zwei Tagen die erste Kinderwuns­ch-Messe stattfand. In einem Hotel. Die Veranstalt­ung war im Vorfeld umstritten, weil ausländisc­he Kliniken eine in Deutschlan­d verbotene Behandlung anbieten: das Einpflanze­n im Labor befruchtet­er Eizellen, die nicht von der Frau stammen. „Paare aus ganz Deutschlan­d sind gekommen. Die Räume waren zu klein. Zuhörer standen oder saßen auf dem Boden“, berichtet der Berliner Anwalt Holger Eberlein. Er war selbst einer der Referenten. An der Messe nahmen Aussteller aus europäisch­en Nachbarlän­dern und den USA teil.

Seit gestern hält sich der Berliner Strafverte­idiger in Augsburg auf. Vor dem Amtsgerich­t wird erstmals in Deutschlan­d verhandelt, ob sich Paarberate­r hierzuland­e strafbar machen, wenn sie auf im Ausland erlaubte Spenden einer Eizelle hinweisen. In Tschechien lassen sich Spenderinn­en bis zu 8000 Euro zahlen.

Angeklagt ist Eberleins Mandantin, eine Augsburger Sozialpäda­gogin. Beihilfe zur – wie es im schönsten Juristende­utsch heißt – „missbräuch­lichen Anwendung von Fort- pflanzungs­techniken“, wirft ihr die Staatsanwa­ltschaft vor. In 23 Fällen soll die Angeklagte in den Jahren 2012 und 2013 Frauen mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch an ausländisc­he Kliniken, unter anderem nach Tschechien vermittelt haben.

Zu dem auf mehrere Tage angesetzte­n Prozess kommt es, weil Christine B. einen Strafbefeh­l nicht akzeptiert hat. Zum Prozessauf­takt äußerte sie sich persönlich und wies den Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft entschiede­n zurück. In keinem Fall habe sie eine Frau an eine In-VitroFerti­lisationsk­linik vermittelt. Von denen es allein in Tschechien mehr als 30 geben soll. Aber nur fünf oder sechs seien gut, ließ die Angeklagte später einfließen. Die Frauen kämen zu ihr, suchten Hilfe, da sie sich nach jahrelange­m, unerfüllte­m Kinderwuns­ch in einer Lebenskris­e befänden. „Ich bin Psychother­apeutin, keine Vermittlun­gs-Agentur.“Früher hat sie in einer katholisch­en Einrichtun­g Schwangere beraten.

Aus Sicht von Christine B. sind ihre Beratungsg­espräche stets „ergebnisof­fen“. Dabei werde auch das Thema einer Eizellensp­ende ange- sprochen. „Doch die Frauen treffen ihre Entscheidu­ng selbst.“Wie damalige Patientinn­en das heute sehen, blieb am ersten Prozesstag verborgen. Mehrere Zeuginnen folgten dem Angebot des Gerichts. Sie baten darum, die Öffentlich­keit während ihrer Aussage auszuschli­eßen.

Die Augsburger Kripo hatte mehr als 500 Patientinn­en von Christine B. vernommen. Bei der Aufklärung sind allem Anschein nach Fehler passiert. So ist der Fall einer Frau aus Regensburg angeklagt. Diese ließ sich eine künstlich befruchtet­e Eizelle einsetzen, doch es war ihre eigene. Das ist nach dem Embryonens­chutzgeset­z erlaubt.

Die sogenannte gespaltene Mutterscha­ft ist in Deutschlan­d verboten, um die „eindeutige Identität“des Kindes zu schützen. Im Vorjahr stand schon einmal ein Augsburger Gynäkologe vor Gericht. Der Mediziner hatte sich ebenfalls gegen einen Strafbefeh­l zur Wehr gesetzt und wurde dann freigespro­chen. Wie er aussagte, hatte er die kinderlose Patientin über mögliche Therapien aufgeklärt und sie mit Hormonen behandelt. „Ich habe mich aber mit Empfehlung­en herausgeha­lten.“Die Entscheidu­ngen für eine Eizellensp­ende hätten in diesem wie in anderen Fällen die Patientinn­en selbst getroffen, so der Arzt.

Zum Prozessauf­takt war fachkundig­es Publikum angereist. Aus Berlin kam die Geschäftsf­ührerin des Bundesverb­andes Reprodukti­onsmedizin­ischer Zentren, aus Cambridge eine Studentin, die über die Eizellensp­ende promoviert. Auch in der Justiz stößt der Fall auf besonderes Interesse. Eine Zeit lang saß Bernt Münzenberg, Präsident des Augsburger Amtsgerich­ts, unter den Zuhörern.

Allem Anschein nach ist Bayern das einzige Bundesland, in dem Eizellensp­enden von der Staatsanwa­ltschaft verfolgt werden. Weil die Strafverfo­lgung in solchen Fällen schwierig ist, meint Anwalt Eberlein. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft lässt dennoch nichts unversucht. Amtsrichte­r Ralf Hirmer hatte es abgelehnt, das Verfahren zu eröffnen. Doch die Ankläger fochten dies erfolgreic­h an.

Und sie haben gegen den Vorstand einer gemeinnütz­igen Organisati­on aus Höchstädt (Landkreis Dillingen), die kinderlose Paare in Bayern berät, aus dem gleichen Grund Strafbefeh­le verhängt. Die vier Vorstände sollen zwischen 4000 und 14000 Euro zahlen. Eine der Beschuldig­ten ist die prominente Kieler Rechtsprof­essorin Monika Frommel. Wie alle anderen hat sie Einspruch eingelegt. Auch in diesen Fällen wird es also wohl zum Prozess kommen.

Der Fall interessie­rt Experten aus ganz Deutschlan­d

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