Unerlaubte Beratung zum Babyglück?
Justiz Eine Augsburger Sozialpädagogin soll Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch an ausländische Kliniken vermittelt haben. Es ist der erste Strafprozess dieser Art in Deutschland
Augsburg Für ein Baby sind Paare mit unerfülltem Kinderwunsch bereit, weite Wege zu gehen. Etwa nach Berlin, wo im Februar an zwei Tagen die erste Kinderwunsch-Messe stattfand. In einem Hotel. Die Veranstaltung war im Vorfeld umstritten, weil ausländische Kliniken eine in Deutschland verbotene Behandlung anbieten: das Einpflanzen im Labor befruchteter Eizellen, die nicht von der Frau stammen. „Paare aus ganz Deutschland sind gekommen. Die Räume waren zu klein. Zuhörer standen oder saßen auf dem Boden“, berichtet der Berliner Anwalt Holger Eberlein. Er war selbst einer der Referenten. An der Messe nahmen Aussteller aus europäischen Nachbarländern und den USA teil.
Seit gestern hält sich der Berliner Strafverteidiger in Augsburg auf. Vor dem Amtsgericht wird erstmals in Deutschland verhandelt, ob sich Paarberater hierzulande strafbar machen, wenn sie auf im Ausland erlaubte Spenden einer Eizelle hinweisen. In Tschechien lassen sich Spenderinnen bis zu 8000 Euro zahlen.
Angeklagt ist Eberleins Mandantin, eine Augsburger Sozialpädagogin. Beihilfe zur – wie es im schönsten Juristendeutsch heißt – „missbräuchlichen Anwendung von Fort- pflanzungstechniken“, wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor. In 23 Fällen soll die Angeklagte in den Jahren 2012 und 2013 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch an ausländische Kliniken, unter anderem nach Tschechien vermittelt haben.
Zu dem auf mehrere Tage angesetzten Prozess kommt es, weil Christine B. einen Strafbefehl nicht akzeptiert hat. Zum Prozessauftakt äußerte sie sich persönlich und wies den Vorwurf der Staatsanwaltschaft entschieden zurück. In keinem Fall habe sie eine Frau an eine In-VitroFertilisationsklinik vermittelt. Von denen es allein in Tschechien mehr als 30 geben soll. Aber nur fünf oder sechs seien gut, ließ die Angeklagte später einfließen. Die Frauen kämen zu ihr, suchten Hilfe, da sie sich nach jahrelangem, unerfülltem Kinderwunsch in einer Lebenskrise befänden. „Ich bin Psychotherapeutin, keine Vermittlungs-Agentur.“Früher hat sie in einer katholischen Einrichtung Schwangere beraten.
Aus Sicht von Christine B. sind ihre Beratungsgespräche stets „ergebnisoffen“. Dabei werde auch das Thema einer Eizellenspende ange- sprochen. „Doch die Frauen treffen ihre Entscheidung selbst.“Wie damalige Patientinnen das heute sehen, blieb am ersten Prozesstag verborgen. Mehrere Zeuginnen folgten dem Angebot des Gerichts. Sie baten darum, die Öffentlichkeit während ihrer Aussage auszuschließen.
Die Augsburger Kripo hatte mehr als 500 Patientinnen von Christine B. vernommen. Bei der Aufklärung sind allem Anschein nach Fehler passiert. So ist der Fall einer Frau aus Regensburg angeklagt. Diese ließ sich eine künstlich befruchtete Eizelle einsetzen, doch es war ihre eigene. Das ist nach dem Embryonenschutzgesetz erlaubt.
Die sogenannte gespaltene Mutterschaft ist in Deutschland verboten, um die „eindeutige Identität“des Kindes zu schützen. Im Vorjahr stand schon einmal ein Augsburger Gynäkologe vor Gericht. Der Mediziner hatte sich ebenfalls gegen einen Strafbefehl zur Wehr gesetzt und wurde dann freigesprochen. Wie er aussagte, hatte er die kinderlose Patientin über mögliche Therapien aufgeklärt und sie mit Hormonen behandelt. „Ich habe mich aber mit Empfehlungen herausgehalten.“Die Entscheidungen für eine Eizellenspende hätten in diesem wie in anderen Fällen die Patientinnen selbst getroffen, so der Arzt.
Zum Prozessauftakt war fachkundiges Publikum angereist. Aus Berlin kam die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren, aus Cambridge eine Studentin, die über die Eizellenspende promoviert. Auch in der Justiz stößt der Fall auf besonderes Interesse. Eine Zeit lang saß Bernt Münzenberg, Präsident des Augsburger Amtsgerichts, unter den Zuhörern.
Allem Anschein nach ist Bayern das einzige Bundesland, in dem Eizellenspenden von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden. Weil die Strafverfolgung in solchen Fällen schwierig ist, meint Anwalt Eberlein. Die Augsburger Staatsanwaltschaft lässt dennoch nichts unversucht. Amtsrichter Ralf Hirmer hatte es abgelehnt, das Verfahren zu eröffnen. Doch die Ankläger fochten dies erfolgreich an.
Und sie haben gegen den Vorstand einer gemeinnützigen Organisation aus Höchstädt (Landkreis Dillingen), die kinderlose Paare in Bayern berät, aus dem gleichen Grund Strafbefehle verhängt. Die vier Vorstände sollen zwischen 4000 und 14000 Euro zahlen. Eine der Beschuldigten ist die prominente Kieler Rechtsprofessorin Monika Frommel. Wie alle anderen hat sie Einspruch eingelegt. Auch in diesen Fällen wird es also wohl zum Prozess kommen.
Der Fall interessiert Experten aus ganz Deutschland