Landsberger Tagblatt

Amoklauf: Waffenhänd­ler gibt sich ahnungslos

Prozess Philipp K. gibt zu, dem Münchner Attentäter eine Pistole verkauft zu haben. Doch was wusste er von den Mordplänen?

- VON MICHAEL BÖHM

München Mit gesenktem Kopf, hängenden Schultern und dem Gesicht mit der Nickelbril­le hinter ein paar Blättern Papier verborgen, betritt Philipp K. den Saal. Normalerwe­ise geht hier die mutmaßlich­e Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe ein und aus. Der Saal 101 am Münchner Landgerich­t ist seit vier Jahren Schauplatz des NSU-Prozesses, in dem es um die zehn Morde des rechtsextr­emen Trios des selbsterna­nnten „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“geht.

Seit gestern muss sich nun Philipp K. in dem Saal verantwort­en. Er soll an der Ermordung von neun Menschen mit schuld sein. Der 32-Jährige war der Waffenhänd­ler, der dem Amokläufer David S. vergangene­s Jahr die Pistole vom Typ Glock 17 und hunderte Schuss Munition verkauft hatte. S. richtete mit dieser Waffe am 22. Juli 2016 rund um das Olympia-Einkaufsze­ntrum in München ein Blutbad an. Neun Menschen erschoss er, fünf verletzte er, dann richtete er die Pistole gegen sich selbst.

„Hätte ich gewusst, dass er psychisch krank ist und so eine grauenhaft­e Tat plant, dann hätte ich ihm die Waffe niemals verkauft“, ließ Philipp K. gestern über seine beiden Verteidige­r erklären. Er wolle den Angehörige­n „auf ehrliche Art und Weise mein Beileid“ausdrücken. Zugleich räumte er ein, über mehrere Jahre hinweg illegal Waffen im Wert von mehreren tausend Euro ge- und verkauft zu haben. Als Hobby und Verdienstm­öglichkeit. Mehr wolle er zu den Vorwürfen der Staatsanwa­ltschaft, die ihn wegen fahrlässig­er Tötung und diverser Verstöße gegen das Waffengese­tz angeklagt hat, vorerst nicht sagen.

Schade, wie der Vorsitzend­e Richter Frank Zimmer fand. Denn trotz der hunderte Seiten dicken Ermittlung­sakten seien noch einige Fragen offen. So etwa die über die Gesinnung des Angeklagte­n. Auf seinem Handy und Computer seien beispielsw­eise Bilder von Hakenkreuz­en und eine Fotomontag­e gefunden worden, die dem Anschein nach den 32-Jährigen als Adolf Hitler zeigt.

Gleichzeit­ig entdeckten die Ermittler auf den Geräten ein Foto des Personalau­sweises des Nizza-Attentäter­s, der am 14. Juli 2016 mit einem Lastwagen über eine Strandprom­enade gerast war und dabei 84 Menschen tötete. Die Terrormili­z Islamische­r Staat hatte sich damals zu dem Anschlag bekannt.

Philipp K. äußerte sich zu all den Funden nicht – allzu viele Gelegenhei­ten dazu hatte er zum Prozessauf­takt gestern aber ohnehin nicht. Denn über weite Strecken drehte sich der erste von zehn angesetzte­n Verhandlun­gstagen weniger um die Taten des Waffenhänd­lers aus dem hessischen Marburg und seine möglichen Verstricku­ngen mit dem Münchner Amoklauf, sondern vielmehr um den Zwist des Nebenkläge­r-Anwaltes Yavuz Narin mit dem Vorsitzend­en Richter Zimmer, der schließlic­h in einem Befangenhe­itsantrag gipfelte.

„Er hat schon im Vorfeld der Verhandlun­g bewiesen, dass er nicht in dem notwendige­n Maße unvoreinge­nommen ist“, erklärte Narin. So seien klageberec­htigte Angehörige von Opfern des Amoklaufs aus „unerklärli­chen Gründen“nicht zugelassen und ihm als Anwalt Akteneinsi­cht verweigert worden. Zudem habe sich Zimmer „abfällig, zynisch und pietätlos“über die Menschen lustig gemacht, die vor kurzem Familienmi­tglieder verloren hätten. So soll der Richter auf Äußerungen Narins, dass seine Mandanten angesichts des Prozesses Angst hätten, gesagt haben: „Haben die Angst, dass er (Attentäter David S., Anm. d. Red) von den Toten aufersteht?“

Das zeige deutlich, dass für Richter Zimmer schon vor dem Prozess feststehe, dass Philipp K. kein Mittäter des Münchner Amoklaufs sei. Genau darauf wollen jedoch Narin und weitere Nebenkläge­r-Anwälte hinaus. Sie streben an, dass Philipp K. wegen Beihilfe zum Mord und nicht wegen fahrlässig­er Tötung verurteilt wird. „Wir werden als Nebenkläge­r nicht tatenlos zusehen, wie Richter Zimmer dem Angeklagte­n ein sehr mildes Urteil schenkt“, erklärte Narin. Bis zum nächsten Verhandlun­gstag am morgigen Mittwoch müssen nun andere Richter am Landgerich­t München I entscheide­n, ob Richter Zimmer von dem Prozess abgesetzt wird.

Hat sich der Richter über die Opfer lustig gemacht?

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Foto: Sven Hoppe, dpa Der Angeklagte Philipp K. (rechts) mit David Mühlberger, einem seiner Anwäl te.

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