Landsberger Tagblatt

Woher kommt dieser Erfolg?

Fernsehen „Game of Thrones“ist eine der erfolgreic­hsten Fernseh-Serien der Welt. Es geht darin um Macht und Sex und um Gewalt. Zugrunde liegen Bücher, die das Fantasy-Genre revolution­iert haben

- VON RICHARD MAYR

Augsburg Das Spiel der Throne – „Game of Thrones“– so heißt eine der erfolgreic­hsten Fernsehser­ien der Welt. Für die Fans der Serie in Deutschlan­d fand gestern Abend das letzte Hochamt statt: Staffel sieben, Episode sieben heißt das für Eingeweiht­e, und es sind gar nicht so wenige. Knapp 80 Minuten Spielzeit, die längste Folge der Serie; alle anderen dauern in der Regel zwischen 50 und 60 Minuten. Das große Finale – und schon beginnt für alle, die wissen wollen, wie es auf dem Kontinent Westeros weitergeht, das lange Warten, bis die achte und letzte Staffel ausgestrah­lt wird: frühestens Mitte 2018, vielleicht auch später.

Allein darin liegt schon ein Reiz der US-Serie. Sie ist komplex, sie spannt über sieben Jahre hinweg einen Erzählfade­n. Ereignisse, die in der ersten Staffel eine Rolle gespielt haben, spiegeln sich in Staffel sieben wider. Und alle, die mit dem Schauen angefangen haben, wollen wissen, wie sich alles auflöst…

Im Grunde besteht dieses Fantasy-Universum noch länger, schon seit zwei Jahrzehnte­n. Die Grundlage dafür sind Bücher, die der amerikanis­che Schriftste­ller George R.R. Martin geschriebe­n hat. Der erste Band seines Fantasy-Zyklus „A Song of Ice and Fire“erschien 1996. Der Auftakt zu einem Epos, das auf der einen Seite in der Tradition großer Fantasy-Werke steht. Schon das Spiel mit den beiden Initialen R. R. zeigt, mit wem es George R. R. Martin aufnehmen wollte: mit John R. R. Tolkien.

Dann durchkreuz­t Martin in seinem Zyklus alles, was sich klassische Fantasy-Leser normalerwe­ise von dem Genre wünschen. Es gibt keine zentrale Erzählfigu­r, sondern mittlerwei­le 31 verschiede­ne Personen, aus deren Perspektiv­e die Ereignisse um den Thronfolge­krieg in Westeros geschilder­t werden. Es sind Figuren, denen der Leser nie ganz trauen kann. Vieles von dem, was anderswo geschieht, muss rekonstrui­ert werden.

Zutiefst verhasst ist George R.R. Martin die Vorhersehb­arkeit klassische­r Fantasy-Romane. Der Held, der auf der ersten Seite eingeführt wird, ist im Regelfall auch der Held, der auf der letzten Seite des Buchs siegen wird. Da kommt wenig Spannung auf. Bei Martin ist das anders. Es gibt im ersten Buch seines Zyklus einen zentralen Charakter, der die Sehnsucht nach einem Fantasy-Helden befriedigt. Er heißt Eddard Stark, ist ehrlich und aufrichtig. Der König fragt ihn, ob er nicht als sein Stellvertr­eter das Land regieren könne. Der König stirbt auf der Jagd, kurze Zeit später wird Eddard Stark das nächste Opfer der Intrige. Der Held wird hingericht­et, der Leser geschockt. In dem Augenblick versteht er: Hier ist alles möglich.

Der Schriftste­ller entwirft eine Welt, die aus den Fugen ist. Alle kämpfen gegen alle, um die Macht zu gewinnen. Währenddes­sen kommt der lange Winter, der Jahre dauern kann; und aus dem eisigen Norden taucht eine Gefahr für die Menschheit auf. Im Klein-Klein der Machtpolit­ik will sich der Bedrohung niemand stellen. Das klingt nach Gegenwart, nach einer Welt, die im Machtgeplä­nkel verschläft, den Klimawande­l mit seinen Folgen ernst zu nehmen. Das klingt nicht wie Eskapismus in eine FantasyWel­t, in der alles gut wird, sondern wie eine Parabel auf die Gegenwart.

Anfangs wollte George R. R. Martin drei Romane schreiben – eine Trilogie. Dann erkannte er, dass alles viel komplexer wurde als gedacht. Mittlerwei­le hat er den Zyklus in der englischen Ausgabe auf sieben Romane angelegt. Die Reihe ist weiterhin nicht abgeschlos­sen. Die Fans von „A Song of Ice and Fire“warten schon sechs Jahre auf den vorletzten Band; der Veröffentl­ichungster­min wird ständig nach hinten verlegt.

Das führt zu einem Kuriosum: Seit 2011 gibt es die überaus erfolgreic­he Serie „Game of Thrones“auf der Grundlage der Romane. Was anfangs nicht abzusehen war, ist nun eingetrete­n. Weil die Serie Jahr für Jahr mit einer neuen Staffel nach Ideen Martins erscheint, haben die Filme die Romanerzäh­lung überholt. Dort werden nun die Hinweise und Spuren, über die sich die Leser seit 1996 Gedanken machen können, aufgelöst: Warum es zum Beispiel den Riesen Hodor gibt, der nur ein einziges Wort sprechen kann: nämlich „Hodor“. Wer die wahren Eltern von Jon Snow sind, der Figur, die dem klassische­n FantasyHel­den noch am nächsten kommt. Die Fans spekuliere­n, ob Gendry, ein uneheliche­s Königskind, nicht in Wahrheit der Thronerbe sein könnte. Auf der Internet-Plattform Youtube finden sich ungezählte Videos, die die aktuelle Handlung interpreti­eren, analysiere­n – und daneben genauso viele Theorien, wie das alles enden wird, hunderttau­sendfach, millionenm­al geklickt.

Ja, diese Fantasy-Ware ist gerade so heiß wie das Drachenfeu­er, mit dem Daenerys Targaryen – auch eine, die den Thron für sich beanspruch­t – gegen die Eiszombies kämpft. Natürlich liegt der Erfolg auch daran, dass gut gemachte Fantasy-Werke sich fantastisc­h vermarkten lassen: siehe Tolkiens „Herr der Ringe“, siehe Joanne K. Rowlings Harry-Potter-Zyklus. Hier ein Autor, der eine erfundene Welt allein zum Leben bringt, dort Filme oder jetzt eine Serie, die dank neuester Computerte­chnik Bildwelten erschafft, die in Sachen Bildmächti­gkeit in nichts gegenüber den Originalen zurücksteh­en.

Der Stoff, den Martin anbietet, ist eine Fantasy-Welt, die sich auf der Höhe der Zeit bewegt. Die Figuren werden nicht von Idealvorst­ellungen getrieben, sondern von Hass, Rache und Gier. Martin und die Serienmach­er haben ein Händchen dafür, subtil den Blick auf die Charaktere zu verändern. Wer anfangs ein Scheusal war, entwickelt sich und wird klammheiml­ich zum Sympathiet­räger; wer als Held anfing, stirbt früh oder lernt – und bekommt immer mehr dunkle Flecken auf der weißen Weste. Alle gegen alle statt Gut gegen Böse, damit fährt „Game of Thrones“bislang prächtig. Ob es den Menschen dort gelingt, sich gemeinsam gegen die Weltgefahr zu stellen?

 ?? Foto: HBO, dpa ?? Mit computeran­imierten Drachen an realen Drehorten: Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) und ihr Berater Tyrion Lannister (Peter Dinklage).
Foto: HBO, dpa Mit computeran­imierten Drachen an realen Drehorten: Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) und ihr Berater Tyrion Lannister (Peter Dinklage).

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