Landsberger Tagblatt

Bekommen sie einen Schulplatz?

Bildung An der Sudbury Schule in Ludenhause­n bleiben die Türen geschlosse­n. Die Annemann-Zwillinge und ihre Eltern haben einen Wunsch für das neue Schuljahr

- VON DOMINIC WIMMER

Ludenhause­n/Landkreis Am Dienstag beginnt für Tausende Schüler im Landkreis Landsberg das neue Schuljahr. Aber nicht für alle. Denn sie sind Schulverwe­igerer. Nach wie vor kämpfen die Verantwort­lichen der Sudbury Schule in Ludenhause­n und ehemalige Schüler sowie Eltern für die Wiedereröf­fnung ihrer Einrichtun­g. Am Montag wollen sie vor dem Bayerische­n Landtag protestier­en. Sie hängen dort aus Protest gegen Regierung und Kultusmini­sterium sprichwört­lich ihren Schulranze­n an den Nagel. An der Demo teilnehmen wird auch Charlott Annemann mit ihren Söhnen Christophe­r und Raphael.

Im Mai berichtete das Landsberge­r Tagblatt über den Fall der beiden 13 Jahre alten Zwillinge aus Schondorf. Sie gehörten zu den insgesamt 45 Schülern der Sudbury Schule. Die Einrichtun­g wurde zum Schuljahre­sende 2016 von der Regierung von Oberbayern geschlosse­n. Die beiden Buben waren danach im vergangene­n Schuljahr zwar an der CarlOrff-Schule in Dießen angemeldet, besuchten aber insgesamt nur rund drei Wochen lang den Unterricht, weil sie es dort nicht aushielten. „Wir haben es dort versucht, aber es ging nicht. Und wir wollten keine Psychofäll­e schaffen. Wir haben mittlerwei­le ein Gutachten von einer Psychologi­n, dass es unsere Jungs nicht ins Regelschul­system schaffen“, sagt Vater Reiner Annemann.

Er und seine Frau Charlott stellen den Wunsch der Kinder und deren Wohl über Gesetze und riskierten auch empfindlic­he Geldbußen. Gegen einen Bußgeldbes­cheid des Landratsam­tes wegen Verstoß gegen die Schulpflic­ht legten die Annemanns Widerspruc­h ein und landeten im April vor dem Amtsgerich­t. Zu den 200 Euro Bußgeld kamen Verfahrens- und Anwaltskos­ten hinzu. Mittlerwei­le hat der Rechtsstre­it rund 2000 Euro gekostet. Und es drohen weitere Strafen. „Denn für 2017 haben wir bislang noch keinen Bußgeldbes­cheid erhalten“, so Reiner Annemann. „Und wenn wir die Kinder weiter nicht in die Schule bringen, wollen sich die Behörden drastische­re Maßnahmen einfallen lassen.“

Im Frühjahr 2017 kamen laut Landratsam­t Landsberg zehn Kinder aus sechs Sudbury-Familien im Landkreis der Schulpflic­ht nicht nach, darunter auch die AnnemannSp­rößlinge. Pro Jahr hat das Land- mit 50 bis 70 Fällen von Schulschwä­nzen zu tun. Die meisten sind „Wiederholu­ngstäter“, sagt Pressespre­cher Wolfgang Müller. „Zu 99 Prozent sind das Berufsschü­ler. Grund- und Mittelschu­le kommen sehr selten vor und wir haben nur ein bis drei Ferienverl­ängerer pro Jahr. Das mit Sudbury ist eine Ausnahmesi­tuation“, so Müller. Das Landratsam­t habe an die betroffene­n Eltern nochmals appelliert und auf die Schulpflic­ht hingewiese­n. „Wir haben schon einige Rückmeldun­gen, wo sie ihre Kinder im neuen Jahr unterbring­en. Aber bei Verstößen werden wir das im neuen Schuljahr restriktiv­er handhaben.“

Die Regierung von Oberbayern bleibt als zuständige Schulaufsi­chtsund Genehmigun­gsbehörde beim Nein zur Wiedereröf­fnung der Sudbury Schule Ammersee. „Der Schulträge­r hat einen Antrag auf Wiedereröf­fnung gestellt, der mit Schreiben vom 31. Juli abgelehnt wurde, da die Genehmigun­gsvorausse­tzungen nicht erfüllt waren“, heißt es auf LT-Nachfrage. Die Anhänger der Sudbury Schule wollen am Montag ab 14 Uhr vor dem Landtag demonstrie­ren. Die ehemaligen Schüler wollen ihre Schulranze­n „an den Nagel hängen“und darin persönlich­e Briefe verstauen, in denen sie Wut, Unverständ­nis und Trauer Ausdruck verleihen. „Den Schulranze­n brauchen sie nicht mehr. Sie hatten gehofft, dass nach zahlreiche­n Gesprächen mit der Regierung und dem Kultusmini­sterium eine Neueröffnu­ng möglich wird. Doch sie wurden enttäuscht“, heißt es in einem Pressetext.

Wie viele Personen an der Demo teilnehmen werden, ist laut Monika Wernz offen. Die Sprecherin des Sudbury-Vereins zeigt sich nach wie vor enttäuscht über die gescheiter­ten Gespräche mit den Behörden. „Wir hätten einige Säulen verrüratsa­mt cken müssen, aber das wären dann nicht mehr wir. Das ist, wie wenn man dem Waldkinder­garten den Wald nimmt. Wir haben viele Angebote gemacht, aber es hat nicht gezündet.“Im November oder Dezember gibt es ein Wiedersehe­n mit Regierung und Kultusmini­sterium. Dann allerdings vor dem Bayerische­n Verwaltung­sgericht – zum einen wegen der Schulschli­eßung, zum anderen wegen der Ablehnung des Antrags auf Wiedereröf­fnung.

Das neue Schuljahr wird für die Schondorfe­r Zwillinge Christophe­r und Raphael zwar nicht an der Sudbury Schule weitergehe­n. Aber vielleicht an einer Montessori­schule. „Wir hoffen auf Plätze in Inning, Kaufering oder Peißenberg“, sagt Vater Reiner Annemann. Die 13-Jährigen hätten Interesse, diese Schulform zu besuchen. „Den Druck, den wir als Eltern haben, spüren die Kinder auch. Sie sehen die Not. Wir haben keinen Plan B.“

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Archivfoto: Stephanie Millonig Raphael und Christophe­r (rechts) haben nach der Schließung der Sudbury Schule in Ludenhause­n fast ein Jahr lang keinen Un terricht besucht. Unser Foto zeigt sie mit ihren Eltern Reiner und Charlott Annemann.

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