Fendt setzt auf das volle Programm
Bilanz Der Konzern will weiter wachsen und bietet dem Landwirt alles aus einer Hand. Dazu gehört in Zukunft auch ein Elektro-Traktor. Die guten Zahlen geben den Firmenstrategen recht
Marktoberdorf Auf zwei großen Bildschirmen laufen auf grünem Hintergrund die weißen Zahlen von 60 rückwärts. Die begleitende Musik wird dramatischer. Das soll Spannung erzeugen bei der Bilanzpressekonferenz des Marktoberdorfer Traktorenherstellers Fendt. Doch Peter-Josef Paffen, der Vorsitzende der AGCO/Fendt-Geschäftsführung, wirkt gelassen. Es sind gute Nachrichten, die er für das Unternehmen verkündet. Für ein Unternehmen, an dem der DieselSkandal der Autoindustrie vorbeizieht, das einen 70 PS starken Elektro-Traktor als Prototypen präsentiert und einen Mähdrescher, der neue Maßstäbe setzt. Fendt stellt so viele Neuheiten vor wie nie. Das macht deutlich, welches Ziel der Mutterkonzern AGCO hat: Vorreiter zu sein und dem Landwirt ein so komplettes Angebot zu bieten, dass er gar nicht erst auf die Idee kommt, sich woanders umzuschauen.
Full-Line heißt die Marschroute. Alles aus einer Hand und das mit Spitzentechnologie. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel derzeit von der Technik 4.0 spreche, „ist Fendt schon bei 6.2“, verkündet AGCOPräsident Martin Richenhagen. Dazu krempelt AGCO unter anderem die Vertriebsstruktur in Europa um, reduziert die Zahl der Standorte und Händler. Sie sollen mit klarer Struktur und einem umfassenden Angebot deutlich mehr Umsatz erzielen, sagt Rob Smith, Generalmanager für Europa und den Mittleren Osten, das Ziel. Der 2014 begonnene Umbau soll 2020 abgeschlossen sein. Für Fendt bedeute das, Montage, Qualitätskontrolle und Logistik weiter zu verbessern, sagte Richenhagen. „Wir sind in vielen Bereichen die Nummer eins, aber wir müssen auch beim Kunden in der wahrgenommenen Qualität die Nummer eins werden“, spricht er Defizite der Vergangenheit an.
Die Strategie passe auf einen Bierdeckel, sagt Paffen: FendtGeist, gepaart mit Qualität, einem guten Partner-Netzwerk, Full-Line und Innovation bedeuteten Wachstum. So wolle Fendt den Marktanteil in der EU von 8,4 auf zehn Prozent steigern. 2020 will Fendt 20 000 Traktoren absetzen. Die Branche ist zwar aus der Rezession heraus und stabilisiert sich „früher als erwartet“, sagt Paffen. Aber der Markt in Westeuropa war noch leicht rückläufig. Zumindest für die meisten. AGCO und damit auch Fendt verzeichneten hingegen ein Umsatzplus von sechs Prozent. Das gibt ein dickes Lob von Richenhagen.
Die guten Zahlen bestärken Fendt, sein Angebot mithilfe der amerikanischen Mutter auszuweiten. So tragen Challenger-Raupenschlepper in Europa jetzt FendtGrün. Wobei Fendt selbst ein Modell mit dieser dicken Gummikette entwickelt hat. Gleichsam als Ergänzung zum Traktor 1000 Vario, von dem schon im ersten Produktionsjahr 1000 Stück verkauft sein werden. Ebenso soll der neue Mähdrescher Ideal (gesprochen Eidiel) Maßstäbe setzen. Auch er trägt eine Kabine aus Asbach-Bäumenheim, wo alle Fendt-Kabinen gefertigt werden. Wer einen Fendt-Traktor fährt, soll sich auf diesem Mähdrescher sofort auskennen. Aber nicht alles lässt sich neu entwickeln. „Das kostet zu viel Zeit“, sagt Richenhagen. Seine Strategie: die jeweiligen Marktführer aufkaufen.
Das gilt bisher nicht für den Bereich Elektro. Für Kleintraktoren testet Fendt Motoren mit der Kraft aus Strom. In drei Jahren will Richenhagen sie auf dem Markt sehen. Weil diese Maschinen ohne Abgase und fast geräuschlos unterwegs sind, kann sich Paffen einen Einsatz als Kommunalfahrzeug gut vorstellen. Die Stadtoberen von München hat er bereits angeschrieben.
Ein anderes Zukunftsprojekt heißt abgekürzt Mars – obwohl Richenhagen Xaver lieber wäre. Das passe besser zu Fendt und dem Allgäu. Es sind selbstfahrende, leichte Roboter. Sie sollen Saatgut ausbringen, Pflanzen pflegen und begutachten. Sie sollen Felder unabhängig bewirtschaften. Gesteuert werden sie über einen Tablet-Computer.
Weil eine Vernetzung der Geräte eine immer größere Rolle spielt, wird Anfang nächsten Jahres in Marktoberdorf eine eigene Abteilung aufgebaut. „Das ist extrem wichtig für den Konzern und das Allgäu“, sagt Paffen. Wieder huscht ihm ein Lächeln übers Gesicht. Dabei blickt er auf die beiden großen Bildschirme, die die Botschaft den 250 Journalisten aus 30 Ländern aufzeigen. Auch so viel wie noch nie.