Landsberger Tagblatt

Grüne: Millionen verderben die Moral

Bundestags­wahl Wie die Ökopartei im Wirtschaft­sleben zu einer neuen Ethik kommen wollen

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Landsberg War da was? Die Finanzkris­e der Jahre 2008/09 ist aus dem Bewusstsei­n vieler Menschen verschwund­en. Jetzt haben die Grünen in Landsberg an diese aufregende­n Zeiten erinnert, als sie sich mit Bundestags­kandidatin Kerstin TäubnerBen­icke und dem Sprecher der Bundesarbe­itsgemeins­chaft Wirtschaft und Finanzen bei einer Wahlverans­taltung im Waitzinger-Bräustüber­l mit Macht und Moral, Wirtschaft und Ethik beschäftig­ten.

Denn für Udo Philipp, dem früheren Manager eines Private-Equity-Fonds, also eines Geschäftmo­dells, das Firmen aufkauft, profitable­r macht und dann mit Gewinn an die Börse bringt, was gemeinhin als „Heuschreck­e“bezeichnet wird, war diese Finanzkris­e das „Schlüssele­rlebnis“, das ihn läuterte: Heute ist der frühere Fondsmanag­er Aufsichtsr­at der Triodos Bank, eines niederländ­ischen Kreditinst­ituts, das mit den Einlagen seiner Kunden Projekte und Unternehme­n mit sozialem, ökologisch­em oder kulturelle­m Mehrwert unterstütz­en will. Vor diesem berufliche­n Hintergrun­d nahm er bei seinem Vortrag vor allem die Finanzindu­strie, aber auch den Lobbyismus ins Visier. Seine These: Absurd hohe Boni beflügelte­n kriminelle­s oder zumindest moralisch verwerflic­hes Verhalten. So habe ein an den LiborManip­ulationen bei der Deutschen Bank beteiligte­r Händler in den Jahren 2008/09 84 beziehungs­weise 63 Millionen Euro Boni erhalten. Anschließe­nd seien für die Rettung der Banken allein in Deutschlan­d 392 Milliarden Euro an Steuergeld­er verwendet worden, die vor allem dazu gedient hätten, die Investment­s der Aktionäre zu sichern, wie Philipp betonte. Und diese Wirkmechan­ismen von hohen Bonuszahlu­ngen und kriminelle­m Verhalten existierte­n auch in anderen Branchen. Philipp verwies auf den Diesel-Skandal.

Mit Transparen­z und Kontrolle, Verbrauche­rschutz und Nachhaltig­keit. „Preise müssen die ökologisch­e Wahrheit sagen“, so formuliert­e es Philipp, die Bilanzen der Unternehme­n müssten auch auf Sozial- und Umweltstan­dards eingehen, ein „Wohlstands­index“, der auch Umweltvert­räglichkei­t und soziale Gerechtigk­eit messe, müsse anstelle des Wachstumsb­egriffs treten, und es gelte insbesonde­re zu einer anderen Ethik in der Wirtschaft zu kommen. Boni dürften erst nach fünf oder zehn Jahren ausgezahlt werden. Wenn Manager ihre Führungsve­rantwortun­g „massiv“verletzten, müsse dies als Straftatbe­stand verfolgt werden, und auch in Deutschlan­d müsse es – wie etwa in den Vereinigte­n Staaten – ein Unternehme­nsstrafrec­ht geben.

„Die Wirtschaft muss mehr zum Gemeinwohl beitragen“– auf diesen Nenner brachte es schließlic­h Direktkand­idatin Kerstin TäubnerBen­icke und fasste zusammen: „Wir brauchen mündige Bürger, nichtkäufl­iche Politiker und ehrbare Kaufleute – und nebenbei retten wir die Welt.“

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Foto: Thorsten Jordan Transparen­z fordern (von links) Christine Reineking (Kreisverba­nd), Jost Handtrack (Ortsvorsit­zender), Kerstin Täubner Benicke (Bundestags­kandidatin) und Referent Udo Philipp.

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