Die Frage der Woche TV-Duell abschaffen?
Mal ehrlich, das Format ist doch nicht zu retten. Klar kann man jetzt spekulieren und probieren, ob nicht durch mehr Konkurrenten und/oder mit weniger Moderatoren ein besseres Ergebnis herauskommen würde – bloß ist das alles völlig unrealistisch. Keiner der Sender würde auf seinen Vertreter verzichten, und ein Schlagabtausch mit sieben Spitzenkandidaten brächte dann irgendwann auch nichts mehr. Vor allem kein „TV-Duell“mehr. Und auf ein richtiges Duell würde sich nicht nur Frau Merkel nie, sondern in der Regel wohl kein Amtsträger einlassen.
Und es würde ohnehin nichts ändern. Oder anders gefragt: Welches bisherige Duell wäre als solches bislang je gelungen?
Warum also sollte es auch bei den nächsten Bundestagswahlen wieder einen solchen, bis zur Peinlichkeit missglückten, das Personal auf allen Seiten bloßstellende Polit-Show-Versuch brauchen? Weil er zu Meinungsbildung des Volkes in unserer Demokratie beiträgt? Ha, ha. Weil ja ausschalten kann oder erst gar nicht einschalten muss, wer davon genervt ist oder die Sache überflüssig findet? So einfach ist es leider auch nicht. Denn dieses TVDuell markiert ja längst über die Frage der individuellen Nutzung hinaus ein nationales, politisches Event, einen medial gesetzten Höhepunkt im Wahlkampf. In einer künstlich herbeigeführten Situation, die ein gewählter Kanzler so sonst nie meistern muss, wird ein Sachgespräch, werden Konflikte simuliert, um durch die richtige Taktik und Wirkung SympathiePunkte abzugreifen. Der Auftritt hier hat darum mit der Frage einer Eignung für das Amt so viel zu tun wie die Krawattenoder Kostümfarbe. Also ist das TV-Duell nicht nur eine peinliche und sinnlose Zumutung, sondern auch ein irreführendes und schädliches Manöver. Abzuschaffen! Foto: afp Ü ber die Form des TV-Duells lässt sich streiten. Muss das so penibel und ängstlich durchritualisiert sein? Und dann: Vier Moderatoren? Wahnsinn, ein Überschuss an Eitelkeit. Leerlaufringelreihen und vollkommen überflüssig. Abschaffen! Aber das Duell selbst, dieses Aufeinandertreffen der beiden aussichtsreichsten Konkurrenten um den Einzug ins Kanzleramt: Behalten!
Wo sonst gibt es eine für alle zugängliche, unmittelbare Vorstellung dieser Art? Millionen können sich ansehen, was es so nur in diesem Format gibt – Mimik, Spontaneität (oder fehlende), Redegabe, Leidenschaft (oder fehlende), Glaubwürdigkeit (oder fehlende), Humor (oder fehlender), gar Selbstironie.
Die „Duell“-Situation mag von Erwartungen (aber auch Vorurteilen) überladen sein. Aber wie bei manchen chemischen Experimenten, die nur dann zischen und stinken und blubbern, wenn zwei Substanzen zusammengemixt werden, ermöglicht dem Publikum nur das direkte Aufeinandertreffen der „Matadore“Erkenntnisse, die über die reine Kenntnisnahme politischer Positionen und Parolen hinausgehen. Dazu gehört auch der Vergleich: Wer gibt sich wie, wer wirkt wie, wer reagiert wie unter Druck? Man muss gar nicht die Geschichte der TV-Duelle bemühen (Nixon contra Kennedy!), um für die Wirkmächtigkeit und Notwendigkeit dieser Massenpartizipation zu werben.
Und es wäre im Übrigen falsch, aus der Enttäuschung über ein Duell (langweilig, nix Neues) auf dessen Verzichtbarkeit zu schließen. Es kann für einen Wähler nämlich eine aufschlussreiche Erkenntnis sein, dass Duellanten uninspiriert aneinander vorbeischießen. Oder dass zwei Langweiler zur Wahl stehen, die kaum Überzeugungskraft haben und keine Vision für die Zukunft.