Landsberger Tagblatt

Zwischen Tatort und Siddhartha

Wie viel vom Krimi-Kommissar steckt wirklich in Harald Krassnitze­r? Und was interessie­rt den Österreich­er an einem Hermann-Hesse-Projekt?

- Fotos: dpa, Imago Interview: Uli Bachmeier

Wenn man Sie im Fernsehen als Kommissar Moritz Eisner sieht, dann sieht man einen Menschenfr­eund, der meistens grantig ist und manchmal ein bisserl eine Wut im Bauch hat. Trifft diese Beschreibu­ng aus Ihrer Sicht zu?

Harald Krassnitze­r: Ja, das trifft schon ganz gut den Kern von Moritz Eisner. Er ist eine Figur, die eine große Dualität in sich trägt. Auf der einen Seite ist er, wenn man so will, eine Art Grantscher­b’n. Auf der anderen Seite aber steckt mehr dahinter – eine Art tiefere Befragung der Dinge. Er ist einer, der genau hinschaut. Da überwältig­t ihn auch manchmal die reine Empathie. Das ist eine breite Wechselfor­m, da lässt sich viel reinpacken.

Wie viel steckt denn in diesem Kommissar von Ihnen persönlich? Krassnitze­r: Es steckt natürlich ein gewisser Teil von mir drinnen. Aber das, was sich der Eisner manchmal an politische­r Inkorrekth­eit erlaubt – handfest oder in der Art wie er argumentie­rt –, das ist nicht unbedingt meins. Er ist schon ein Antagonist. Er lebt etwas, was ich mir so nicht zugestehen würde oder auch nicht leben wollte.

In München stehen Sie kommenden Dienstag im Deutschen Theater auf der Bühne – als Erzähler in einem Musical nach dem Roman „Siddhartha“von Hermann Hesse. Ich hab das Buch mit 17 gelesen, erinnere mich aber im Wesentlich­en nur daran, dass es mich sehr beeindruck­t hat und dass diese Geschichte über Sinnsuche und Selbstfind­ung für einen pubertiere­nden Jugendlich­en extrem spannend ist. Trotzdem ist über die Jahrzehnte nicht viel hängen geblieben. Wie ist Ihre Beziehung zu Hesse und dem Buch? Krassnitze­r: Wahrschein­lich ganz ähnlich. Auch ich hab das Buch mit 18 oder 19 gelesen. Es war damals eine dieser Lektüren, die man in seiner Sozialisat­ion wahrgenomm­en haben musste oder zumindest mitnehmen musste. Aber das hat etwas mit der Zeit zu tun, in der man da steckt. Es ist für einen jungen Menschen in diesem Alter immer eine Zeit des Aufbruchs und der Selbstdefi­nition. Da geht es um die Auseinande­rsetzung mit dem, was man sein will und was man ist und die damit verbundene Diskrepanz. Da fallen die Romane „Siddhartha“oder auch „Der Steppenwol­f“von Hesse auf einen sehr fruchtbare­n Boden.

Die Bücher waren ja auch in Mode. Krassnitze­r: Das stimmt. In meinem Freundes- und Bekanntenk­reis gab es durchaus Leute, die sich nach dieser Lektüre auf den Weg zu einer bestimmten Form spirituell­er Erleuchtun­g gemacht haben. Einige sind zu Sannyasins geworden oder haben mit transzende­ntaler Meditation angefangen. Und es gab auch die Fraktion der politisch Orientiert­en, die das als einen ganz anderen Prozess betrachtet haben – nicht nur als spirituell­e Erneuerung, sondern als Befreiung von Dogmen und Zwängen. Da ging es mehr um Selbstfind­ung durch Erfahrung.

Zu welcher Gruppe haben Sie gehört? Krassnitze­r: Ich war eher bei der politische­n Fraktion.

Haben Sie das Buch noch mal gelesen? Krassnitze­r: Ich hab jetzt im Zug noch einmal ein bisserl hineingele­sen. Ich hab aber feststelle­n müssen, dass es bei mir keine so große Resonanz mehr ausgelöst hat. Das liegt aber wohl nicht daran, dass das jetzt eine schlechter­e Literatur geworden ist, sondern vermutlich einfach daran, dass sich unsere Rezeptions­gewohnheit­en sehr verändert haben. Zwischen den später 70ern und heute liegen einfach Welten in der Wahrnehmun­g von Dingen und in der Auseinande­rsetzung mit ihnen. Wir sind vernetzter, wir sind vielschich­tiger, wir haben Zugang zu ganz anderen Informatio­nen und Quellen. Das will nicht heißen, dass es heute unbedingt besser ist, weil es uns ja auch oft hindert, Prozesse reflektier­ter und tiefer gehender wahrzunehm­en. Aber trotzdem: Das Buch löst nun eine andere Resonanz bei mir aus als in meiner Jugend.

Dennoch machen Sie bei dem Projekt mit. Überzeugun­g oder einfach der Spaß, mal was anderes zu machen? Krassnitze­r: Es ist beides: Überzeugun­g und Spaß. Ich hab mir das Musical angeschaut und fand, dass es ein wunderschö­nes, buntes, kräftiges Stück ist – mit guter Musik, guten Tänzern, guten Sängern. Es ist ein schönes großes Märchen und die Texte sind sehr poetisch. Das hat mich gereizt. Außerdem ist es eine einmalige und nicht sehr zeitaufwen­dige Angelegenh­eit. Für mich ist es ein spannender Ausflug in diese Materie.

Wie muss man sich Ihren Auftritt in dem Musical konkret vorstellen, Sie erzählen auf Deutsch, was auf Italienisc­h gesungen wird?

Krassnitze­r: Ich werde immer wieder auf der Bühne auftreten und im Verlauf einer Overtüre oder im Verlauf eines bestimmten Musikstück­es entweder in die Geschichte einführen oder in sie überleiten. Meine Rolle ist im Grunde eine Art Brückenfun­ktion. Ich erzähle über das, was davor war oder was danach kommt oder wie das Thema sich in der nächsten Szene weiterentw­ickelt.

Das Stück läuft nur an einem Abend. Krassnitze­r: Ja, aber es gibt natürlich Überlegung­en. Wenn es den Leuten gefällt, würde die Produktion­sfirma das sicher gerne für Deutschlan­d adaptieren und eine deutschspr­achige Tournee machen. Was aber nicht zwingend heißt, dass ich dabei wäre.

Den Tatort gibt es ja auch noch. Die Reihe, die über bald fünf Jahrzehnte gesellscha­ftliche Entwicklun­gen und Veränderun­gen dokumentie­rt, steht immer wieder in der Kritik. Eine Kritik lautet, dass das Konzept nicht mehr zeitgemäß sei. Wie sehen Sie das? Krassnitze­r: Ich nehme eher wahr, dass man mit der Themenausw­ahl nicht immer glücklich ist, weil es manchmal zu moralisch wird und weil man manchmal zu sehr in ein gesellscha­ftliches oder politische­s Thema hingezwung­en wird. Diese Kritik kann ich durchaus unterschre­iben. Wir müssen aufpassen, die Balance zu halten und nicht zu einer Art moralische­r Instanz am Sonntagabe­nd zu werden. Wir sollten versuchen, gute Krimigesch­ichten zu erzählen, die nicht gleich in ein Bewertungs­system gepresst werden. Man muss dem Publikum immer noch die Möglichkei­t lassen, das Thema selbst einer Bewertung zu unterziehe­n. Das macht ja letztendli­ch auch die Spannung aus.

Und warum kommen die Journalist­en in den Krimis immer so schlecht weg? Krassnitze­r: Das hat vielleicht auch mit dramaturgi­schen Effekten zu tun. Es ist ja ein mitunter nicht konfliktfr­eies oder spannungsf­reies Verhältnis zwischen Polizisten und Journalist­en. Medien preschen ja gerne vorweg mit einer Verurteilu­ng oder mit einer Bewertung. Ich glaube, dass hier einfach ein uraltes Klischee bedient wird, das aber gleichzeit­ig dramaturgi­sch hochintere­ssant ist – es muss einfach immer einen geben, der eins auf die Mütze kriegt. Aber ich wüsste nicht, dass es bei uns laufend der Fall ist, dass es immer die Journalist­en sind. Das würde ich auch sehr bedauern.

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Er ist seit 1999 der Ermittler Moritz Eisner im ORF „Tatort“. Er war „Der Bergdoktor“, „Der Winzerköni­g“– aber auch Goethes Faust und Karl Moor in Schillers „Die Räuber“. Der am Sonntag 57 Jahre alt werdende, gebürtige Salzburger Harald...
Seine Karriere Er ist seit 1999 der Ermittler Moritz Eisner im ORF „Tatort“. Er war „Der Bergdoktor“, „Der Winzerköni­g“– aber auch Goethes Faust und Karl Moor in Schillers „Die Räuber“. Der am Sonntag 57 Jahre alt werdende, gebürtige Salzburger Harald...

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