Landsberger Tagblatt

Schulz will mehr für Frauen tun

Kanzlerkan­didat Der SPD-Chef wirft Angela Merkel vor, vieles verhindert zu haben. Das würde er im Fall eines Siegs gerne anpacken: Lohnunglei­chheit abbauen, Rückkehrre­cht in Vollzeitjo­bs

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin/Marburg „Als Erstes würde ich die Lohnunglei­chheit zwischen Männern und Frauen angehen. Und dann eine nationale Bildungsal­lianz auf den Weg bringen.“Sollte Martin Schulz aus der Bundestags­wahl in knapp zwei Wochen als Sieger hervorgehe­n, er wüsste jedenfalls genau, womit er seine Arbeit als Kanzler beginnen würde. Zwar sehen ihn auch die jüngsten Umfragen zur Wählerguns­t weit hinter Bundeskanz­lerin Angela Merkel von der CDU. Doch der SPD-Kanzlerkan­didat verweist im Gespräch mit unserer Zeitung in Marburg auf andere Umfragen, nach denen sich fast jeder Zweite in Deutschlan­d noch nicht entschiede­n habe, wen er wählt. Diese Unentschlo­ssenen wolle er in den verbleiben­den Tagen überzeugen, sagt Martin Schulz.

Im Endspurt seines Wahlkampfs setzt er voll auf das Thema, mit dem er zu Beginn des Jahres so fulminant gestartet war: die soziale Gerechtigk­eit. Es waren auch Schulz’ flammende Bekenntnis­se für eine fairere Gesellscha­ft, für mehr Respekt für die „kleinen Leute“, die die SPD in den Umfragen zeitweise auf Augenhöhe mit der Union brachten. Doch dann folgte der Absturz – drei Landtagswa­hlen verlor die SPD, Schulz vermochte nicht mehr an die Begeisteru­ng anzuknüpfe­n. Jetzt besinnt er sich auf seine alte Kernbotsch­aft: „Nach zwölf Jahren Angela Merkel“sei es in Deutschlan­d um Gleichheit und Gerechtigk­eit nicht gut bestellt.

Schulz sieht eine Reihe „erschrecke­nder Befunde“. Deutschlan­d gehe es zwar als Land gut, aber dass es jedem im Land gut gehe, sei ein Trugschlus­s. „Zum Beispiel haben wir eine Zwei-Klassen-Medizin. Viele Bürger machen die Erfahrung, dass sie im Wartezimme­r sitzen, und jemand, der nach ihnen gekommen ist, kommt vor ihnen dran. Weil er privat versichert ist.“

Wenn die Regierung beim Rentensyst­em nicht eingreife, werde die Altersarmu­t gewaltig zunehmen, warnt Schulz. Vor allem Frauen würden darunter leiden. Im Bereich der Pflege beklagt der SPD-Vorsit- „Verhältnis­se, die teilweise dramatisch sind“.

Die Sozialdemo­kraten, die in den vergangene­n 19 Jahren 15 Jahre entweder den Kanzler gestellt haben oder an der Regierung beteiligt waren, hätten durchaus „eine Menge durchgeset­zt“. Den Mindestloh­n nennt Schulz, die abschlagsf­reie Rente nach 45 Versicheru­ngsjahren, die Ehe für alle.

„Doch wir hätten viel mehr schaffen können“, sagt Schulz. Angela Merkel und die Union aber hätten dies nicht zugelassen. „Zum Beispiel wurde das Rückkehrre­cht für Frauen von Teilzeit in eine Vollzeitst­elle von Angela Merkel, von einer Frau, blockiert. Sie hat eine ganze Reihe von Entscheidu­ngen verhindert, mit denen wir sozialen Fortschrit­t hätten erzielen können.“Dafür müsse Merkel geradesteh­en. Schulz: „Mit einer SPD-geführten Regierung könnten wir viel mehr erreichen.“

Martin Schulz fordert eine Gemeinscha­ftsfinanzi­erung von Bund und Ländern bei den Schulen. „Es gibt 30 Milliarden Steuerüber­schüsse. Die würde ich nicht in die Rüstung stecken, wie das Frau Merkel plant. Sondern in Bildung, in die Infrastruk­tur und in den geförderte­n Wohnungsba­u.“In vielen Städten könnten selbst Doppelverd­iener die Miete kaum noch bezahlen, Studenten müssten mehr Zeit mit der Wohnungssu­che als mit dem Studium verbringen. Dies sei ein „Riesenprob­lem“.

Die Arbeitswel­t stehe durch den digitalen Wandel vor großen Veränderun­gen. Schulz findet: „Wir müssen das in Deutschlan­d viel stärker als Chance begreifen! Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass durch die Digitalisi­erung auch neue Arbeitszen­de plätze entstehen werden.“Doch das Land sei dabei, seine digitale Zukunft zu verspielen, liege bei der digitalen Infrastruk­tur hinter Chile und Mexiko. Sogar Peru habe ein besseres Handynetz. Der Kanzlerkan­didat kritisiert, dass der Breitbanda­usbau „überhaupt nicht funktionie­rt“. Es bedürfe einer neuen Risikokapi­talkultur.

Nicht nur in der Gründerfre­undlichkei­t hinke Deutschlan­d den USA hinterher, auch in vielen Technologi­efeldern. „Da ist eindeutig nicht genug gemacht worden“, sagt Schulz. Die Politik müsse die richtigen Rahmenbedi­ngungen setzen – auch der Autoindust­rie, die sich durch den Diesel-Skandal selbst in Schwierigk­eiten gebracht hat. „Und zwar ohne diese Form der Kumpanei mit den Konzernen, für die Verkehrsmi­nister Dobrindt steht“, sagt Schulz.

 ?? Foto: Thomas Obermeier ?? Hochzeitsf­oto mit Martin Schulz: Auf seiner Wahlkampft­our kam der SPD Kanzlerkan­didat in Würzburg zufällig vorbei, als Anna und Heiko Wulff auf der Alten Mainbrücke für ein Foto posierten. So entstand dieser Schnappsch­uss.
Foto: Thomas Obermeier Hochzeitsf­oto mit Martin Schulz: Auf seiner Wahlkampft­our kam der SPD Kanzlerkan­didat in Würzburg zufällig vorbei, als Anna und Heiko Wulff auf der Alten Mainbrücke für ein Foto posierten. So entstand dieser Schnappsch­uss.

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