Landsberger Tagblatt

Mit den Gänsen kommen die Probleme

Natur Weil ihre Hinterlass­enschaften vor allem für Kinder gefährlich werden können, sollen die Vögel jetzt in Frankfurt abgeschoss­en werden. Auch in Bayern gibt es immer mehr von ihnen

- VON ARNE BENSIEK

Frankfurt am Main Aus Sorge um die Gesundheit ihrer Bürger macht die Stadt Frankfurt ab sofort Jagd auf Nilgänse. Die zugewander­te Art hat sich so rasant vermehrt, dass inzwischen große Scharen der Gänse die Rasenfläch­en am Main, Parks und Freibäder bevölkern.

Nilgänse sind in den vergangene­n Jahren zu einem immer größeren Problem geworden – Versuche, sie zu vertreiben, blieben erfolglos. Nun sieht die Stadtregie­rung akuten Handlungsb­edarf, denn in Kotproben der Nilgänse wurden Salmonelle­n-Erreger gefunden. Gerade für Säuglinge und Kleinkinde­r kann der Kontakt mit den tierischen Hinterlass­enschaften lebensgefä­hrlich sein. Daher hat die Stadt eine Ausnahmege­nehmigung für den Abschuss von Nilgänsen erteilt – zunächst allerdings nur in einem Freibad.

Die Beschränku­ng hat politische Gründe und etwas von einer Posse. Denn Frankfurts Umweltdeze­rnentin Rosemarie Heilig von den Grünen, zuständig für die Grünfläche­n der Stadt, wollte offenbar nicht diejenige sein, die das Töten der Nilgänse zu verantwort­en hat. Also wechselte das Thema zu Sportdezer­nent Markus Frank von der CDU, dem alle Schwimmbäd­er unterstehe­n. Im Frankfurte­r Brentanoba­d, mit acht Hektar Liegewiese eines der größten Freibäder Europas, soll die Gänsejagd beginnen. Ob das Problem so gelöst wird?

„Wenn die ersten beiden Schüsse gefallen sind und zwei Gänse tot am Boden liegen, werden die anderen Tiere Reißaus nehmen“, ist zumindest Berufsjäge­r Axel Seidemann überzeugt. Zur Jagd werde er ein hellblaues T-Shirt der Bademeiste­r anlegen, damit die Nilgänse das Personal künftig als Bedrohung wahrnähmen. Schießen wird er auf Jungtiere, so verlangt es das Jagdrecht. Geht der Plan des Jägers auf, werden die führenden Alttiere, an denen sich der Nachwuchs orientiert, das Freibad in Zukunft meiden.

Noch grasen im Brentanoba­d an manchen Abenden bis zu hundert Nilgänse. Fünf Mitarbeite­r seien während der Freibadsai­son damit beschäftig­t, morgens möglichst jeden einzelnen Kothaufen einzusamme­ln, erklärt Seidemann. Im Auftrag der Stadt habe er in den vergangene­n drei Jahren schon alles Erdenklich­e ausprobier­t, um die Nil- gänse zu verjagen. Doch vom regelmäßig­en Besuch mit seinem Jagdhund und der Beschallun­g mit Greifvogel­stimmen hätten sich nur die einheimisc­hen Graugänse nachhaltig vertreiben lassen.

„Die Tiere haben keine große Scheu und fühlen sich in unseren Parks und Freibädern wohl, weil sie dort von Menschen gefüttert werden“, sagt Volker Bannert, Vorsitzend­er des Naturschut­zbundes in Frankfurt. „Das Problem haben wir Menschen uns selbst eingebrock­t.“Statt Nilgänse abzuschieß­en, plädiert er dafür, das Fütterungs­verbot konsequent durchzuset­zen und zur Not Ordnungsst­rafen zu verhängen. Die Zahl der Nilgänse schätzt Bannert allein in Hessen auf über 10 000.

Auch in Rheinland-Pfalz gibt es Nilgänse – in Koblenz werden sie mit Drohnen verscheuch­t. In Bayern kommen Nilgänse laut dem Bund für Umwelt und Naturschut­z etwa im Obermainta­l, entlang der Donau sowie im Stadtgebie­t von Nürnberg und Augsburg vor. „Bisher ist die Zahl der Tiere noch überschaub­ar und die Situation nicht mit Frankfurt zu vergleiche­n“, sagt Kai Frobel vom Bund Naturschut­z in Bayern. „Aber die Bestände werden sich sicher auch bei uns in Bayern ausweiten.“

Die Nilgans habe eine ökologisch­e Nische gefunden und vermehre sich dank ihrer extremen Anpassungs­fähigkeit sehr erfolgreic­h, so Frobel. Eigentlich liege die natürliche Sterblichk­eit bei jungen Nilgänsen bei 50 Prozent. „Wenn Spaziergän­ger die niedlichen Jungtiere füttern, überleben deutlich mehr und die Population wächst.“

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