Die Praxisklasse kehrt zurück
Schule Vor drei Jahren wurde das Projekt in Landsberg eingestellt. Nun haben Jugendliche in Kaufering die Chance, mit praktischen Fähigkeiten zu einem Mittelschulabschluss zu kommen
Kaufering Es sind Schüler, deren Stärke in ihren praktischen Fähigkeiten liegt. In unserem auf Theorie ausgelegten Schulsystem finden sie sich nicht zurecht. Schulfrust macht sich breit. Die Praxisklasse ist eine Chance für sie. Bis vor drei Jahren gab es diese Schulform an der FritzBeck-Mittelschule in Landsberg. Wegen geringer Nachfrage wurde das Projekt beendet. Jetzt wird es an der Mittelschule in Kaufering wieder zum Leben erweckt. Und mit Dietmar Perzl ist ein Lehrer dafür verantwortlich, der die Praxisklasse von Anfang an begleitet hat.
Im September 2001 wurde an der Fritz-Beck-Mittelschule die erste und damals einzige Praxisklasse im Landkreis eingerichtet. Jugendliche, für die das Erreichen eines Abschlusses in der Regelklasse nicht möglich war, wurden in dieser Klasse individuell gefördert und brachten ihre praktischen Fähigkeiten zur Geltung. Dietmar Perzl gehörte zu den Lehrern, die die Mädchen und Buben betreuten, später auch als Klassenleiter. Im zehnten Jahr wurde das Projekt mit einem Festakt gefeiert und von vielen Seiten gelobt.
Doch nur drei Jahre später, die beiden Mittelschulen in Landsberg waren gerade organisatorisch miteinander verschmolzen, ließ die Nachfrage nach Plätzen in der Praxisklasse nach. Darüber hinaus klagte Schulleiter Christian Karlstetter über zu wenig Personal für das Projekt. „Diese Klasse frisst Stunden“, sagt auch Dietmar Perzl. Denn für die intensive Betreuung sei mehr Personal als in einer Regelklasse vonnöten. Vor allem beim einmal in der Woche stattfindenden Praxistag, bei dem die Schüler in kleine Gruppen aufgeteilt würden.
Nach drei Jahren Pause gibt es ab diesem Schuljahr wieder eine Praxisklasse. Die Initiative ergriffen die Mittelschule in Kaufering und deren Partnerschule in Weil. Zu einer Einführungsveranstaltung im Frühjahr kamen 19 Interessenten. Am Dienstag starten 14 Jugendliche in der Praxisklasse. Dabei werden sie auch von einer Sozialpädagogin begleitet, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Mit im Boot ist auch die Marktgemeinde. Jeweils fünf Schüler kommen von den Mittelschulen in Kaufering und Weil, zwei aus Landsberg sowie einer von der Waldorfschule und einer von der Schule am Luisenhof.
Für Schulleiterin Renate Kindermann ist es organisatorisch nicht leicht, die Klasse bei einer so geringen Schülerzahl und einem knappen Stundenbudget zu realisieren. Doch Kindermann und Perzl sehen das Projekt als Chance für die Schüler. Am schulischen Praxistag arbeiten die Jugendlichen in verschiedenen Handwerksbereichen wie Holz- und Metallverarbeitung, Gartenbau und Hauswirtschaft. Dabei werden sie von ihren Lehrern angeleitet. Sie arbeiten an verschiedenen Projekten und können in unterschiedliche Berufe schnuppern.
Dietmar Perzl erinnert sich an die Zeit in der ehemaligen Fritz-BeckMittelschule: „Die Schüler haben damals eine Grünanlage im Pausenhof mit Bachlauf, eine Schulgärtnerei, einen Pavillon, einen Freisitz und vieles mehr geschaffen.“So würden die Neigungen der Mädchen und Buben offensichtlich. Und mithilfe des Klassenleiters, der Sozialpädagogin und des Berufsberaters der Arbeitsagentur würden Praktikumsplätze gesucht, wo die Schüler acht Wochen lang einen Beruf ausprobieren können. „Wie die Erfahrung von über zehn Jahren zeigt, führt dies bei etwa 70 Prozent der Schüler in ein Ausbildungsverhältnis“, sagt Dietmar Perzl.
Am Ende des Schuljahres kann auch in der Praxisklasse ein Mittelschulabschluss erworben werden. Für Dietmar Perzl ist das Projekt auch eine ideale Fortsetzung der Übergangsklasse für Kinder und Jugendliche, die neu in Deutschland sind und nicht genug Deutsch sprechen. Und so seien auch zwei Flüchtlinge in der aktuellen Praxisklasse. Dort können sie nicht nur praktisch viel lernen, auch ihre Deutschkurse laufen weiter.