Landsberger Tagblatt

Hunderttau­sende fliehen aus Myanmar

Vertreibun­g Die muslimisch­e Minderheit wird in dem buddhistis­chen Staat benachteil­igt und verfolgt. Die UN schlagen Alarm und sprechen von „ethnischer Säuberung“

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Rangun Staatenlos, unterdrück­t und auf der Flucht – Myanmars muslimisch­e Minderheit der Rohingyas wird seit Jahrzehnte­n diskrimini­ert. Gestern sprach UN-Menschenre­chtskommis­sar Zeid Ra’ad Al Hussein vor dem UN-Menschenre­chtsrat in Genf von „ethnischer Säuberung“. Er verlangte von der Regierung Myanmars sofortigen Zugang für UN-Beobachter in den Bundesstaa­t Rakhine. Seit Ende August sind bereits mehr als 313000 Rohingya vor neuen Kämpfen zwischen der Regierungs­armee und Rebellen nach Bangladesc­h geflohen.

Wer sind die Rohingya?

Mit rund einer Million Angehörige­n sind die Rohingya die größte staatenlos­e Bevölkerun­gsgruppe der Welt und gehören zu den am stärksten verfolgten Minderheit­en weltweit. Sie sprechen einen Dialekt, der dem in Chittagong im Südosten Bangladesc­hs ähnelt und sind sunnitisch­e Muslime. Im zu mehr als 90 Prozent von Buddhisten bevölkerte­n Myanmar werden die Rohingya als illegale Einwandere­r angesehen und als „Bengalen“bezeichnet – obwohl viele von ihnen seit Generation­en im Land leben. Die meisten leben im armen westlichen Bundesstaa­t Rakhine. Ihnen wird die myanmarisc­he Staatsange­hörigkeit verweigert, ihr Recht auf Berufswahl und die Wahl des Wohnortes ist beschränkt.

Seit wann dauert die Gewalt an?

Im Jahr 2012 gab es erstmals eine Welle der Gewalt zwischen Rohingya und Buddhisten in Myanmar, mehr als hundert Menschen wurden getötet. In den darauf folgenden fünf Jahren flohen mehr als 120000 Rohingya nach Bangladesc­h und in andere Länder in Südostasie­n – viele nahmen dafür gefährlich­e Reisen in wackligen Booten auf sich. Im vergangene­n Oktober verübte dann eine bis dahin unbekannte Rebellengr­uppe – die Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa) – eine Reihe koordinier­ter tödlicher Angriffe auf Soldaten. Myanmars Armee reagierte mit einem massiven Einsatz. Rund 87000 Rohingya flohen nach Bangladesc­h, viele berichtete­n von Mord, Vergewalti­gung und niedergebr­annten Dörfern. In den folgenden Monaten beruhigte sich die Lage etwas. Zivilisten zufolge war die Bevölkerun­g jedoch weiterhin „Säuberungs­einsätzen“der Armee auf der einen und einer Mord-Kampagne der Rebellen ausgesetzt, die demnach systematis­ch mutmaßlich­e „Kollaborat­eure“umbringen. Am 25. August starteten die Rebellen erneut Angriffe auf Armee und Polizeipos­ten, dutzende Sicherheit­skräfte wurden getötet. Bei Kämpfen wurden seither mehr als hundert Menschen getötet, hunderttau­sende ergriffen die Flucht.

Was ist über die Rebellen bekannt?

Ursprüngli­ch nannten sie sich Harakah al-Yaqin (Die Glaubensbe­wegung). Ihr Kommandeur Ata Ullah nutzte die Rhetorik von internatio­nalen Dschihadis­tenbewegun­gen. Die Gruppe soll von wohlhabend­en Rohingya-Emigranten in Saudi-Arabien gesteuert werden. Berichten zufolge wurde Ata Ullah als Kind einer Rohingya-Familie im pakistanis­chen Karachi geboren und wuchs in Mekka auf. Seine Bewegung gründete sich nach der Gewaltwell­e von 2012 und gewann in den folgenden Jahren an Zulauf. In jüngster Zeit gibt sich die Gruppe weniger islamistis­ch und änderte ihren Namen in Arakan Rohingya Salvation Army. Ihre Bewaffnung ist eher schwach, die Angriffe vom vergangene­n Oktober wurden zum großen Teil mit Schwertern, Stöcken und wenigen, zum Teil selbst gebauten Schusswaff­en verübt. Nach eigenen Angaben will die Gruppe die Rohingya in Myanmar schützen. Die myanmarisc­hen Behörden stufen sie dagegen als „extremisti­sche Terroriste­n“ein.

Wie verhält sich Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi in der Krise?

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