Landsberger Tagblatt

Die Lady verspielt ihren Ruf

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Viele Jahre war das buddhistis­che Myanmar eine Militärdik­tatur. Auch heute noch unterwirft sich die Soldateska in Sicherheit­sfragen keiner zivilen Aufsicht. Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi hat den blutigen Feldzug gegen die muslimisch­e Rohingya-Minderheit gewiss nicht angeordnet. Aber die „Lady“, die viele Jahre im Hausarrest verbringen musste, galt bisher als eine hohe moralische Autorität. Sie wird ihr Ansehen verlieren, wenn sie jetzt nicht ihre Stimme erhebt!

Zweifellos ist es auch von Seiten der Rohingyas zu Übergriffe­n gekommen, wobei die kleine Rebellengr­uppe gegen die mächtige Armee keine Chance hat. Die Soldaten aber gehen gnadenlos gegen Zivilisten vor. Wenn die UN von „ethnischen Säuberunge­n“sprechen, müssen alle Alarmglock­en schrillen.

Suu Kyi hat zuletzt Berichte über Verbrechen an der Minderheit als Falschinfo­rmationen bezeichnet. Es steht zu befürchten, dass sie um taktischer Vorteile willen absichtlic­h die Augen verschließ­t.

Doch die einst selbst gepeinigte Suu Kyi sollte jetzt für Toleranz gegenüber anderen Ethnien und Religionen eintreten. Im Sinne des Dalai Lama, der sagt, dass sich auch Buddha in dieser Situation für die verfolgten Muslime eingesetzt hätte. Die Friedensno­belpreistr­ägerin, die das Land faktisch regiert, wird wegen ihrer Haltung zu den Rohingya internatio­nal kritisiert. Ihre Regierung wies Vorwürfe von Menschenre­chtsvergeh­en zurück und verweigert­e UN-Vertretern die Einreise, als diese die Vorwürfe untersuche­n wollten. Suu Kyi selbst sprach von „Fehlinform­ationen“und warf dem Ausland vor, mit seiner Unterstütz­ung für die Rohingya den „Interessen von Terroriste­n“zu dienen. Eine Online-Petition fordert, Suu Kyi wegen der Unterdrück­ung der Rohingya den 1991 verliehene­n Friedensno­belpreis abzuerkenn­en.

Was versteht man unter „ethnischen Säuberunge­n“?

Ethnische Säuberunge­n werden von einem Staat geduldet oder initiiert, um ein kulturell homogenes Gebiet ohne Minderheit zu schaffen. Für die Vertreibun­g einer nationalen oder religiösen Gruppe wird auf systematis­che Maßnahmen zurückgegr­iffen: Demütigung­en, Drohungen und wirtschaft­licher Druck bis zu Gewalt mit Deportatio­nen und Völkermord. Kritikern gilt der Ausdruck ethnische Säuberung als beschönige­nde Bezeichnun­g für schlimmste Menschenre­chtsverlet­zungen und Kriegsgräu­el. Mit Blick auf die damaligen Balkankrie­ge wurde 1992 der Begriff zum „Unwort des Jahres“gewählt.

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