Genug geflüchtet
Hurrikan Der Landsberger Christian Reuter befindet sich in den USA auf der Flucht vor „Irma“. Heute will er nach Florida zurück. Was ihn dort erwartet, weiß er nicht
Landsberg Wo Christian Reuter momentan genau ist? „Er fährt praktisch nach dem Wetterbericht, immer dahin, wo es gerade nicht so schlimm ist“, erzählt sein Sohn Mika. Christian Reuter, der vor einem Jahr nach Amerika ausgewandert ist, gehört zu den Menschen, die in den USA vor Hurrikan „Irma“flüchten mussten.
Vater und Sohn telefonieren sowieso mehrmals die Woche miteinander – in den vergangenen Tagen war der Kontakt aber noch enger. Mika Reuter, der beim HC Landsberg in der Bayernliga spielt und damit in die Fußstapfen seines Vaters trat, der jahrelang für den EV Landsberg in der Zweiten Bundesliga spielte, hatte noch im Sommer seinen Vater in Florida besucht. „Das ist echt krass, wenn man da jetzt die Bilder sieht“, sagt Mika. Von der schönen Landschaft sei nichts mehr zu sehen „und die Palmen liegen jetzt rum“.
Trotzdem habe es sein Vater – zumindest was die Flucht betrifft – relativ gut, denn „er wohnt in einem Wohnmobil, da kann er leicht umziehen und wegfahren“. Und dass alles gut gegangen ist, davon überzeugt er sich per Telefon. Am Sonntagabend noch erwischte er ihn in Jacksonville – doch noch in der Nacht hatte sich Christian Reuter erneut auf den Weg gemacht. „Augenblick, da muss ich erst im Navi nachschauen, wie der Ort heißt, wo ich jetzt bin“, sagte er gestern gegenüber dem LT am Telefon.
Vergangenen Freitagmorgen begann für den 51-Jährigen die Odyssee, Richtung Norden. „Es gibt eine App, windy.com, da kann man sehen, wie viel Wind und Wasser wann wo ankommt“, erzählt er – entsprechend legte er seine Route aus. „Inzwischen habe ich sicher schon 800 Meilen zurückgelegt. Erst nach Norden, damit ich dann noch nach Osten und Westen ausweichen kann.“Bei seiner Abreise aus Coral Springs hatte er noch Glück: „An den ersten Tankstellen war ein Limit von zehn Dollar, das ist bei einem Wohnmobil ein Problem.“Erst nachdem er schon mehrere angefahren hatte, fand er doch eine, die auf ein Limit verzichtete und er konnte sich auf den Weg machen.
Bis nach Ridgeland, einem kleinen Ort zwischen Savannah und Charleston, wie Reuter gestern nach dem Blick auf das Navi feststellte. „Ich stehe auf einem kleinen Parkplatz bei einem McDonalds“, denn dort hat er WLAN. „Ich habe inzwischen die Schnauze voll vom Fahren, hier bleibe ich jetzt.“
Zwar wird ihn auch dort der Ausläufer von Irma erwischen, aber den Sturmböen mit 40 bis 50 Stundenkilometern sollte das Wohnmobil standhalten. „Es kann schon sein, dass es irgendwo das Wasser reinbislang drückt, so stabil sind die Wohnmobile nicht gebaut“, sagte er, „dann lege ich eben ein paar Handtücher bereit.“
Reuter hat sich in Coral Springs ein Bekleidungsgeschäft aufgebaut mit inzwischen 16 Angestellten. Die meisten von ihnen sind vor Ort geblieben – der 51-Jährige hat sich mit seinem Wohnmobil auf die Flucht gemacht. Ihm blieb nichts anderes übrig: „Ich lebe im Wohnmobil und das hält diese Windgeschwindigkeiten nicht aus.“Am heutigen Dienstag will er wieder zurück nach Coral Springs fahren.
Was ihn dort erwartet? Reuter weiß es nicht. „Ich stehe mit meinen Angestellten in Verbindung, aber da ist natürlich auch keiner vor die Tür gegangen“, erzählt er. Was aber bereits sicher ist: Der Hurrikan ist für ihn wirtschaftlich ein Desaster. „Wir haben unsere Fixkosten, aber praktisch zwei Wochen lang keine Umsätze.“
Bereits in den Tagen vor dem Hurrikan hätten die Menschen anderes im Kopf gehabt, dann war das Geschäft geschlossen und „in den ersten Tagen danach denkt auch keiner dran, Klamotten zu kaufen“. Doch auch wenn es für ihn existenzielle Sorgen sind: „Angesichts dieser Katastrophe und dessen, was anderen passiert ist, ist das doch lächerlich.“Man könne die Situation jetzt nicht ändern und müsse das Beste daraus machen.
Zum Beispiel Handtücher bereitlegen, falls das Wasser doch ins Wohnmobil eindringen sollte. Und eines will Reuter unbedingt noch loswerden: „Dem HC Landsberg wünsche ich viel Glück.“