Heiterkeit und Freude, wo sonst Maschinen lärmen
Rational Das Konzert in Werk 3 ist ausverkauft. Eine Geigerin spielt ergreifend mit feiner Zerbrechlichkeit. Gibt es eine Fortsetzung der Reihe?
Landsberg Vieles war, wie es treue Besucher der Konzerte „Klassik in Werk 3“seit 2013 jährlich einmal erlebt haben: Schnell musste man sein mit der Kartenorder, denn Landsbergs „größter Konzertsaal“mit beinahe 1500 Plätzen war auch diesmal wieder binnen weniger Tage ausverkauft. Die Werkhalle fein herausgeputzt und in den Rationalfarben Rot und Blau dezent ausgeleuchtet, und die große Bühne für das Orchester Symphony Prague, den Dirigenten des Abends, Alois Seidlmeier, und die Solistin, Akiko Tanaka, aufgebaut, erwarteten das Publikum. Vorstandsvorsitzender Dr. Peter Stadelmann sprach die Begrüßungsworte.
Aber spätestens da zeigte sich, dass das nunmehr fünfte Konzert, das eigentlich Anlass zu einer kleinen Jubiläumsfeier hätte geben können, unter gänzlich anderen Vorzeichen stand: Nach dem plötzlichen Tod von Firmengründer Siegfried Meister Ende Juli berichtete) war erst einmal fraglich, ob es überhaupt stattfinden würde. Doch die Vorbereitungen waren weit vorangekommen, und die Verantwortlichen schlussendlich davon überzeugt, im Sinne des Kunst- und Musikliebhabers Meister zu handeln, wenn sie „den Dingen ihren Lauf“ließen.
Eine Änderung gab es aber doch: Die Aufführung wurde ins Andenken ihres Initiators gestellt, und ihm gewidmet war auch die elegische Air aus Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 3, die dem Programm vorangestellt war. Applaus an dieser Stelle hätte es eigentlich nicht geben sollen. Noch weniger, als auch die späteren Beifallsbekundungen zwischen den Sätzen, die nicht nur die Orchestermusiker, sondern ganz besonders die Solistin in der notwendigen Konzentration auf das Stück störten. Und Konzentration braucht es bei einem so anspruchsvollen Werk wie Peter Tschaikowskys Violinkonzert D-Dur op. 35, mit dem Akiko Tanaka nach der einleitenden Ouvertüre zu Gioachino Rossinis „Wilhelm Tell“auf die Bühne kam. Mit weichem, runden Klang ging die junge Geigerin in den ersten Solopart und gestaltete später die Kadenz in technisch brillantem Spiel. Lediglich in der sich immer weiter steigernden Leidenschaftlichkeit dieses ersten, und dann auch des dritten Satzes, hätte man gewünscht, dass sie sich die von Tschaikowsky durchaus ins Werk hineingeschriebene Dominanz des Solisten gegenüber dem Orchester gelegentlich etwas energischer erspielt.
Ergreifend, fast von feiner Zerbrechlichkeit, war Akiko Tanakas Interpretation der Canzonetta im 2. Satz, in der sich ihr anmutiges Spiel aufs Engste verband mit dem warmen Klang in den Antworten der Holzbläser.
Das Publikum zeigte sich tief beeindruckt von der jungen Interpretin und begleitete sie mit lang anhaltendem Applaus von der Bühne. Nach der Pause dann Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonie Nr. 4 A-Dur: Dass dessen sogenannte „Italienische“diesen Beinamen zu Recht trägt, vermittelten nicht allein die hier ausgesprochen spielfreudigen Musiker des Orchesters Symphony Prague, sondern beinahe mehr noch ihr Dirigent. Mit graziler Körpersprache, dabei stets präzise in seinen Vorgaben und ohne alle Effekthascherei, tanzte Alois Seidlmeier die musikalischen Einfälle Mendelssohns zuweilen beinahe aus der Partitur heraus, um sie dann seinem Orchester zu übergeben. Und das wiederum antwortete sensibel und unmittelbar – ein ungezwungenes, heiteres Spiel und Musizieren im eigentlichen, besten Sinn.
Zum Abschluss ein „Welthit“: Maurice Ravels berühmter Bolero, eigentlich nur eine Studie zur Instrumentierung. In wie viele „Wiederholungsschleifen“das Stück geht – man könnte mitzählen. Doch wer führt schon Strichlisten bei einem so mitreißenden Werk, dessen man auch in der X+1. Wiederholung nicht überdrüssig ist?
Am Ende gab es begeisterten Applaus und zum Dank das Tropicana aus Louis Moreau Gottschalks Sinfonie Nr. 1 als heiteren Ausklang des Abends. Man hätte sich beschwingt auf den Nachhauseweg machen können, wäre da nicht eine kleine Irritation: Langjährigen Konzertbesuchern wird aufgefallen sein, dass in der Rede des Vorstandsvorsitzenden der gewohnte Hinweis auf das nächste Konzert „Klassik in Werk 3“unter der Voraussetzung eines „weiterhin guten Geschäftsgangs“fehlte.
Eine Fortführung der beliebten Konzertreihe im Sinne ihres Initiators Siegfried Meister und unter der bewährten Intendanz von Johannes Skudlik wäre allen, denen auf, hinter und vor der Bühne, nach fünf erfolgreichen Jahren aber unbedingt zu wünschen.