Der weite Horizont fasziniert sie
Porträt Die Reisebuchautorin und Biologin Carmen Rohrbach ist am Ammersee zu Hause, aber seit 40 Jahren in der Welt unterwegs. Zu Fuß, auf dem Dromedar oder auf dem Fahrrad. Jetzt ist ein Bildband über sie erschienen
Viele Jahrzehnte trieb es die am Ammersee lebende Reisebuchautorin und promovierte Biologin Carmen Rohrbach durch die ganze Welt. Zu Fuß, auf dem Dromedar, Pferd oder Esel – sie hat fast alles probiert. Zuletzt ist sie die Donau entlang geradelt – von der Quelle bis zur Mündung. Den kommenden Winter will sie allein in einer Trapperhütte verbringen. Über die Bestseller-Autorin und ihre 40 Jahre Abenteuer ist jetzt im National Geographic Verlag ein Bildband erschienen.
Der weite Horizont, diese geheimnisvolle Linie zwischen Himmel und Erde, zog Carmen Rohrbach schon als Kind magisch an. Die Welt zu entdecken, das fasziniert sie auch weiterhin. So viel Unternehmergeist und Biss möchte man der kleinen zierlichen Frau auf den ersten Blick gar nicht zutrauen. Doch gilt sie als Deutschlands weitest gereiste Reisebuchautorin. Von ihrem Wohnort in Schondorf bricht sie immer wieder auf. So zuletzt nach Kanada, um dort ihr nächstes Projekt vorzubereiten. Im kommenden Winter will sie in British Columbia überwintern. „In einer Blockhütte, die nichts hat außer eben die Hülle, kein Internet, kein Strom, kein fließend Wasser“, schildert die promovierte Biologin. Die Hütte habe sie schon ausgesucht. Im Sommer sei sie 200 Kilometer von einem Camp aus dorthin gewandert. Vor Ort habe sie ausgekundschaftet, ob da beispielsweise genügend Feuerholz vorhanden ist.
Ihre Lebensgeschichte war schon immer mit Abenteuern verbunden. Geboren wird Rohrbach 1948 in Bischofswerda in Sachsen. Ihre frühe Kindheit verbringt sie in Bautzen. Später zieht die Familie nach Freyburg in Sachsen-Anhalt. In Greifswald und Leipzig studiert Carmen Biologie.
Als sie erkennen muss, dass ihr in der DDR Fernreisen verwehrt sind, beschließt sie, 1974 über die Ostsee zu fliehen. Doch ihr dramatischer Fluchtversuch endet nach zwei Nächten und einem Tag auf dem Meer im berüchtigten DDR-Frauengefängnis Hoheneck im sächsischen Erzgebirge. Dort erleidet sie Hunger und Erniedrigung. „Erst im Gefängnis wurde mir klar, was die DDR für ein Staat war“, erinnert sich Rohrbach heute. Nach zwei Jahren und acht Monaten Haft wird sie von der Bundesrepublik freigekauft und geht nach Bayern. Am Starnberger See fängt sie am MaxPlanck-Institut in Seewiesen an und erforscht das Verhalten mongolischer Wüstenmäuse.
Im Westen kann sie nun endlich ihre Sehnsucht ausleben. Die Welt liegt ihr quasi zu Füßen. „Meine erste Reise führte mich zu den Galapagos-Inseln. Das war aber noch ein Forschungsauftrag“, berichtet Rohrbach. Weil danach nicht so schnell ein nächster Reiseauftrag zu erwarten war, beschließt sie, sich selber Ziele zu setzen und das mit dem Schreiben zu kombinieren. „Galapagos war somit der Start für meine Arbeit als Reisebuchautorin.“
Wandern durch die Wüste Jemens, Zelten am Fuße eines isländischen Vulkans oder im marokkanischen Atlasgebirge. Ihre Reisen führen sie nach Südamerika, Afrika, Asien und Arabien. Sie ist auf dem Jakobsweg durch Frankreich und Spanien unterwegs, wandert entlang der Isar durch Tirol und Bayern oder radelt zuletzt die Donau entlang von der Quelle bis zur Mündung. „Fast alle meine Reisen sind Abenteuerreisen. Ich suche Orte auf, wo es noch ursprünglich ist. Schlafen auf hartem Untergrund und dem Wetter ausgesetzt. Das sind Herausforderungen, denen ich mich gerne stelle.“
Ihre schönsten Touren waren die auf die Galapagos und mit dem Dromedar durch den Jemen. „Im Jemen hing es auch damit zusammen, dass ich dort so gut aufgenommen wurde, vor allem von den Frauen, mit denen ich vieles geteilt habe.“Angst hatte sie durchaus bei dem einen oder anderen Abenteuer, bei dem sie meist alleine unterwegs war. „Wasser und Nahrungsmangel, aber auch Krankheiten können schnell zu existenziellen Situationen werden“, betont die fast 70-Jährige. „Aber ich bin nie blauäugig losgefahren. Ich habe mich immer sehr lange darauf vorbereitet“.
Richtig lebensbedrohlich sei nur ihre Flucht aus der DDR gewesen, als sie durch die Ostsee schwamm. Auch für die kommenden Jahre hat Rohrbach noch viele Reisewünsche. „Ich war noch nicht in Australien, nicht in Neuseeland, in Neuguinea und an der Antarktis. In Südamerika interessiert mich noch Chile mit der Atacama-Wüste.“
Doch nach ihrem Kanada-Projekt will sie zunächst einmal auf die Halbinsel Kamtschatka im ostasiatischen Teil Russlands. Ein Reiseziel, das sie schon zu DDR-Zeiten anstrebte.