Nun kommt die Stunde der Frauen
Kulturschaffende reagieren auf die Wahl
Berlin/Augsburg Entsetzen über den Wahlerfolg der AfD kennzeichnet die Reaktion von Kulturschaffenden auf die Bundestagswahl. Für den im Allgäu lebenden Krimi-Autor Vol ker Klüpfel ist „genau das eingetreten, was zu erwarten war, nämlich dass die AfD zweistellig in den Bundestag einzieht“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Allerdings ist Klüpfel auch zuversichtlich, dass die anderen Parteien der AfD mit vernünftiger Politik das Wasser abgraben könnten. „Der erste Tag hat außerdem schon gezeigt, dass die AfDPolitiker alle Erwartungen erfüllen und sich selbst zerlegen.“
Der Publizist und Philosoph Ri chard David Precht sieht den Wahlausgang als „Quittung für einen unpolitischen Wahlkampf“. Die großen Themen, die die Menschen beschäftigten, seien nicht Wahlkampfthemen gewesen: Zuwanderung, die ökologischen Folgen des Wirtschaftsmodells und die gewaltigen Umbrüche durch die Digitalisierung. „Wenn sich die anderen Parteien weiterhin darum drücken, Utopien für eine zukünftige Gesellschaft zu entwerfen, dann wird das den rechtspopulistischen Parteien weiterhin großen Auftrieb geben.“
Deutschlands bekannteste Feministin Alice Schwarzer sieht nach der Bundestagswahl die „Stunde der Frauen“gekommen. Der Erfolg der AfD gehe vor allem auf Männer zurück, sagte sie. „Die haben nicht nur im Osten, sondern auch im Westen fast doppelt so häufig die AfD gewählt wie die Frauen. Jetzt, wo der Karren im Dreck steckt, schlägt die Stunde der Frauen. Die müssen jetzt gegenhalten gegen die Verhetzung und Vermachoisierung der Republik.“
Schriftsteller Martin Walser nannte die mehr als 20 Prozent, die die AfD im Osten der Republik erreichte, „die traurigste Nachricht des Tages“: „Jetzt müssen wir uns nicht die Köpfe blutig kratzen, sondern diese Spätfolge der deutschen Teilung ernst nehmen!“
Autorin Juli Zeh stellte die Frage, wie gut es einem Land noch gehen müsse, „damit Menschen sich nicht mehr von fremdenfeindlichen Szenarien aufhetzen lassen“.