Tonpfeifen haben lange Geschichte
Gestalt Archiv Hans Herrmann Vögel stehen derzeit im Mittelpunkt einer Ausstellung. Wie ein Vogelpfeiferl geformt wird, lernten Kursteilnehmer in einem Workshop
Schondorf Vogelbilder, Vogel-Mobiles, Vogelskulpturen – und jetzt auch noch Vogelpfeiferl: Im GestaltArchiv in Schondorf dreht sich derzeit alles um unsere gefiederten Freunde. Unter dem Titel „Alle Vögel sind schon da“sind nicht nur Vogeldarstellungen aus dem schier unerschöpflichen Archiv des Hauses ausgestellt. Gezeigt werden auch weit über 200 Tonpfeifen aus der ganzen Welt, aus verschiedenen privaten Sammlungen.
Begleitend dazu fand jetzt ein Tonpfeifen-Kurs statt. Interessierte konnten unter fachkundiger Anleitung von Marianne Richter einen Rohling aus feuchtem Ton so bearbeiten, dass dieser für hörbaren Ton bereit war. Die Handwerkskunst entpuppte sich als gar nicht so einfach. „Ich hab den Ton ein wenig zu feucht gehalten“, klagte Marianne Richter, „jetzt müssen wir langsam arbeiten und ihn erst etwas antrocknen lassen, bis er gut bearbeitet werden kann.“
Die Zeit nutzte die kleine Gruppe für einen geführten Streifzug durch die Ausstellung mit viel Anschauungsmaterial für mögliche Ausführungen und Verzierungen der kleinen Musikinstrumente. Gleichzeitig erzählten Kursleiterin Marianne Richter und Christel Hiltmann, Vorsitzende des Vereins „GestaltArchiv Hans Herrmann“– beide sind begeisterte Sammlerinnen – viel Geschichtliches. „Archäologische Funde beweisen“, so Richter, „dass Tonpfeifen schon im alten Ägypten und in China sowie bei den India
nern des amerikanischen Kontinents be- kannt und in Gebrauch waren.“Die älteste Tonpfeife, die Marianne Richter gesehen hat, ist ein Fragment, das erst in heutiger Zeit aus dem Canale Amphore geborgen wurde und im Museum der Antike in Aquileia in Friaul ausgestellt ist.
Die Pfeifen dienten einerseits der Verständigung über weite Strecken. „Archäologische Funde beweisen aber auch die Verwendung als Grabbeigabe und damit kultisches Objekt.“Bevorzugte Form sei der Hahn gewesen, als Bringer eines neuen Tags, des Lichts und neuen Lebens. Musik sei als entscheidende Kommunikationsform mit dem Jenseits betrachtet worden. Die Klänge der Pfeife sollten die Verbindung zur übersinnlichen Welt der Geister, Götter und Dämonen herstellen, den Kontakt zu den Toten stimulieren, die Seelen der Ahnen anrufen und die Initiationsriten begleiten.
Gleichzeitig wurden Blasinstrumenten abwehrende Funktionen nachgesagt. Die Menschen glaubten, dass ihr Klang böse Geister und Krankheiten fernhalten könne. Tonflötenklang lockte folglich nicht nur, sondern wehrte auch ab.
Neben der Verwendung als Kultobjekt dienten die Tonpfeifen auch irdischen Zwecken. So seien sie als Wetter- und Signalhorn eingesetzt worden, sie warnten mit ihrem Klang vor wilden Tieren und anderen drohenden Gefahren. Im Mittelalter seien die Pfeifen beliebtes Kinderspielzeug gewesen. „Damit haben die Buben und Mädchen Vogelstimmen imitiert, Liedchen probiert und ihre Mütter genervt“, meint Marianne Richter schmunzelnd. Durch die Dörfer ziehende Lumpensammler hätten zuweilen solche Pfeiferl bereit gehalten. Viele weitere Details zur Geschichte der Tonpfeife sind in der Ausgabe 2/2017 der seit 80 Jahren erscheinenden und die bildnerische Erziehung in Schulen begleitenden Zeitschrift „Die Gestalt“nachzulesen.
Mittlerweile waren die von Marianne Richter vorbereiteten, zapfenförmigen Rohlinge aus Ton so weit abgetrocknet, dass sie bearbeitet werden konnten. Die Herstellung einer Vogelpfeife aus Ton stellte sich dabei als recht diffizil und ohne fachkundige Anleitung kaum möglich heraus.
Zunächst musste daraus ein Hohlkörper mit einer Wandstärke von etwa fünf Millimetern und einer etwa fingerdicken Öffnung geformt werden. Durch diese Öffnung, die auf der Unterseite glatt und scharfkantig sein muss, wird ein mit weichem Ton ummantelter Pappstreifen geschoben. Dieses Bauteil, das später das Mundstück ist, wird an der flachen Seite befestigt und der Hohlkörper von oben her verschlossen.
Ist der Ton leicht fest, kann die Pappe herausgezogen und erstes Blasen probiert werden. Bei den Teilnehmern des Kurses funktionierte das nach diversen Nacharbeiten und viel Hilfestellung durch die Kursleiterin. Erst danach ging es ans Verzieren nach eigenen Vorstellungen. Alle Teilnehmer erklärten dabei, dass sie ihre Pfeife nicht brennen, sondern nur trocknen lassen wollten.
Die Ausstellung im Gestalt Archiv in Schondorf, Landsber ger Straße 19, kann bis auf Weiteres be sucht werden. Anmeldung ist erforder lich bei Christel Hiltmann unter Telefon: 08192/7675 oder per E Mail: christel hiltmann@gmx.de.