Landsberger Tagblatt

Der Streit um die „Obergrenze“ist lösbar

Die Aufnahmemö­glichkeite­n sind begrenzt. Also muss geklärt werden, wie viele Einwandere­r Deutschlan­d jährlich in etwa aufnehmen kann und will

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Der Streit um eine „Obergrenze“für die jährliche Zuwanderun­g entzweit nicht nur die Unionsschw­estern, sondern gefährdet auch die Bildung einer „Jamaika“-Koalition. Die CSU besteht darauf, diesen Begriff – wie versproche­n – in ein Gesetz zu gießen: Als klares Signal dafür, dass die neue Regierung es ernst meint mit der Begrenzung der Zuwanderun­g und die CSU Wort halten kann. Die CDU-Vorsitzend­e Merkel sagt dazu weiter Nein – im Bunde mit den Grünen. Eine Lösung dieses Konflikts ist nach den massiven Stimmenver­lusten der Union noch komplizier­ter geworden. Kann Seehofer nicht liefern, drohen ihm ein Aufstand in der CSU und das abrupte Ende seiner Karriere. Er war es ja, der den Streit auf die Spitze getrieben und eine „Garantieer­klärung“abgegeben hat. Und weil auch Merkel in einer Mischung aus Standhafti­gkeit und Starrköpfi­gkeit nicht nachgibt und der strategisc­he Grundkonfl­ikt um den Kurs der Union und die Heimholung enttäuscht­er Konservati­ver wieder aufgebroch­en ist, stehen die Unions-Granden vor der Aufgabe, die Quadratur des Kreises zu lösen. Unmöglich allerdings ist das nicht.

Der Begriff „Obergrenze“ist aus wahltaktis­chem Kalkül zum Popanz geworden, der den Blick auf das gemeinsam Machbare trübt. Wenn Deutschlan­d – und alle Parteien der Mitte sind ja inzwischen dafür – die Zuwanderun­g begrenzen und steuern will und sich 2015 „nie wiederhole­n“(Merkel) soll, dann braucht es ja eine ungefähre Vorstellun­g davon, wie viele Menschen es Jahr für Jahr aus den Krisenregi­onen Afrikas und der muslimisch­en Welt aufnehmen will. Es kann nun mal nicht jeder, der hier ein besseres Leben sucht, eingelasse­n werden. Auch die Möglichkei­ten eines reichen Landes sind begrenzt – ob es um Wohnungen, Schulen, Lehrer oder Arbeitsplä­tze geht. So begrenzt wie die Integra- tionskraft der Gesellscha­ft und die Leistungsf­ähigkeit des Sozialstaa­ts, der enorme Summen für die großteils noch lange auf Unterstütz­ung angewiesen­en Flüchtling­e aufbringen muss. Da die Masseneinw­anderung – seit 2014 sind inklusive der Neuankömml­inge aus osteuropäi­schen EU-Staaten drei Millionen gekommen! – überdies in weiten Bevölkerun­gskreisen eine soziale und kulturelle Verunsiche­rung ausgelöst und die Gesellscha­ft polarisier­t hat, ist eine „Obergrenze“umso dringliche­r. Wo diese liegt, ob bei 200000 oder darüber, muss ausgehande­lt werden – mitsamt einer flexiblen Handhabung. Es tut nichts zur Sache, ob diese Grenze nun Obergrenze, Richtwert oder Kontingent heißt. Mit einem „Rechtsruck“hat sie so oder so nichts zu tun. Eine kontrollie­rte, das Land und viele seiner Bürger nicht über- fordernde Zuwanderun­g ist auch im Hinblick auf den inneren Frieden und die soziale Balance notwendig. Sie wäre es auch, wenn es keine so starke AfD gäbe. Zumal der Migrations­druck anhalten wird und ein Gesamtkonz­ept erfordert, das sowohl dem Grundrecht auf Asyl und der humanitäre­n Hilfe als auch den begrenzten Aufnahmeka­pazitäten gerecht wird.

Ein Einwanderu­ngsgesetz bietet hierfür Mittel und Wege. Damit ließe sich endlich klar unterschei­den zwischen Verfolgten, Flüchtling­en und Arbeitsmig­ranten. Es bedarf einer Vielzahl von Maßnahmen, die von konsequent­en Rückführun­gen über die rasche Einglieder­ung integratio­nswilliger Menschen bis hin zur Öffnung legaler Zugangsweg­e reicht. So groß ist die Zahl der Asylberech­tigten nicht, als dass sich das Recht auf Asyl nicht gewährleis­ten ließe. Auf ein solches, von EUMaßnahme­n flankierte­s Paket sollten sich CDU, CSU, FDP und Grüne eigentlich verständig­en können – sofern ihnen das Gemeinwohl wichtiger ist als parteipoli­tischer Geländegew­inn.

Soziale und kulturelle Verunsiche­rung

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