Landsberger Tagblatt

Sind auch die Konservati­ven in die Affäre verwickelt?

Österreich Angeblich bot ein Sprecher des ÖVP-Chefs Sebastian Kurz 100 000 Euro für Details der SPÖ-Kampagne

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Auch für Österreich­er, die es gewöhnt sind, dass es in der Politik nicht zimperlich zugeht, scheint nun eine Grenze überschrit­ten: 70 Prozent äußern sich entsetzt über den schmutzige­n Wahlkampf.

Erstmals hatte es im Sommer Hinweise darauf gegeben, dass unfair gespielt werden würde. Unbekannte recherchie­rten im Privatlebe­n von Außenminis­ter Sebastian Kurz. Zwei Wochen vor der Wahl am 15. Oktober wurde publik, dass ein Berater von SPÖ-Kanzler Christian Kern abwertende FacebookSe­iten gegen Kurz fälschen ließ. Der Kanzler sei darüber nicht informiert gewesen, heißt es. Neun Tage vor der Wahl, ließ der für die FacebookSe­iten verantwort­liche Mitarbeite­r des Kanzlerber­aters Tal Silberstei­n eine neue Bombe platzen. Ihm seien aus der ÖVP 100 000 Euro für Informatio­nen über die SPÖ-Wahlkampag­ne geboten worden. Der Pressespre­cher von Sebastian Kurz im Außenminis­terium habe für Detailinfo­rmationen aus der SPÖ-Kampagne bezahlen wollen.

Dem ORF sagte der betreffend­e Mitarbeite­r Silberstei­ns: „100 000 Euro dafür, dass ich zur ÖVP wechsele und Informatio­nen über die SPÖ preisgebe.“Er könne diese In- formation mit einer SMS-Konversati­on belegen, die ein „Honorarang­ebot für PR“ohne Summe dokumentie­rt. Damit steht jetzt auch das Team von Außenminis­ter Sebastian Kurz unter Verdacht, schmutzige Geschäfte zu betreiben. Die ÖVPSpitze ist sich zwar darüber einig, dass die SPÖ jetzt das Opfer der Schlammsch­lacht, nämlich Kurz, zum Täter machen wolle. Doch es steht Aussage gegen Aussage.

Nun haben sich SPÖ und ÖVP gegenseiti­g angezeigt. Richter sollen den Sachverhal­t aufklären. Im Gespräch ist ein Untersuchu­ngsausschu­ss. Erwähnensw­ert sind auch Vorwürfe, die die Frau von Bundes- kanzler Kern, eine Unternehme­rin, gegen ÖVP-Kreise erhebt: Ein Funktionär des ÖVP-Wirtschaft­sbundes verleumde sie und ihre Geschäftsp­artner. Ein 100 Seiten starkes Dossier über ihre Firmenbete­iligungen und öffentlich­e Fördergeld­er werde nach und nach veröffentl­icht, um ihrem Mann zu schaden.

Lachende Dritte dürfte die rechtspopu­listische FPÖ mit ihrem Vorsitzend­en Heinz-Christian Stra- che sein. Die Partei kann zusehen, wie die beiden Volksparte­ien ÖVP und SPÖ ihre Glaubwürdi­gkeit verspielen. Dass der FPÖ Antworten auf die meisten politische­n Fragen fehlen, fällt nicht auf – denn um Inhalte geht es längst nicht mehr. Kurz, der die Machenscha­ften des SPÖ-Beraters Silberstei­n scharf kritisiert, denkt derweil laut über eine Minderheit­sregierung als Alternativ­e zu einer Koalition mit der FPÖ nach. Im Gespräch ist nun auch das österreich­ische Pendant zur Jamaika-Koalition, die sogenannte „Dirndl-Koalition“: pinkes Mieder (gemeint sind die liberalen Neos), grüne Schürze und schwarzer Rock.

 ??  ?? Sebastian Kurz
Sebastian Kurz

Newspapers in German

Newspapers from Germany