Landsberger Tagblatt

Ein Ende in Würde

Metropolth­eater „Der gute Tod“thematisie­rt das selbstbest­immte Sterben. Nach ergreifend­en Szenen auf der Bühne gibt es viel Gesprächsb­edarf im Landsberge­r Stadttheat­er

- VON BÄRBEL KNILL

Hast du Angst?

Und was kommt danach?

Früher war es einfach, da gab es den lieben Gott

Landsberg Der Tod wird in unserer Gesellscha­ft ausgeblend­et, sagt Regisseur Jochen Schölch vom Münchner Metropolth­eater in der Besprechun­g nach dem Stück „Der gute Tod“von Wannie de Wijn im Stadttheat­er.

„In all dem Jugendwahn wollte ich den Tod wieder ins Bewusstsei­n der Menschen holen, er gehört zum Leben.“Er wolle die Angst nehmen vor dem Tod, Bedingunge­n zeigen, unter denen ein Sterben in Würde möglich ist, und ein Plädoyer für den selbstbest­immten Tod halten. Das gebiete allein schon die Menschenwü­rde. Sicher gibt es unendlich viele Variatione­n von Situatione­n des Sterbens. Diese eine aber, die das Metropolth­eater auf der Bühne darstellt, ist ziemlich eindeu- tig. Bernhard (Butz Buse) leidet an Lungenkreb­s im Endstadium und hat aus freiem Entschluss entschiede­n, seinem Leben ein Ende zu setzen. Zeugen und Begleiter seines Sterbens sind sein Arzt, seine Freundin und ein paar Verwandte.

Im Stück treten diejenigen, die ein Problem mit diesem Entschluss haben, eher als unreife Persönlich­keiten auf. Allen voran Bernhards Bruder Michael (Christoph von Friedl), Manager- und Partytyp, völlig unreflekti­ert und mit dem Thema Sterben überforder­t. Doch auch Bernhards Tochter Sam (Sophie Rogall) tut sich schwer mit Bernhards Entschluss, kann ihn nicht loslassen. Der Arzt und Freund Robert (Nikolaus Frei) hat verständli­cherweise Bedenken, ob er später mit dem Geschehen wird leben können. Bernhards Freundin Hannah hat Gefühle für den Kranken und hat keine eigene Position. Der Einzige, der unverkramp­ft und ganz ohne Scheu mit dem Thema umgeht, ist der geistig behinderte Bruder Ruben (Sebastian Griegel). Er stellt Fragen wie ein Kind, und es sind diese Fragen, die eigentlich jede der Figuren, aber auch jeder Zuschauer impulsiv stellen möchte. Warum machst du das? Tut das Sterben weh? Stirbst du an den Schmerzen? Hast du Angst? Was ist danach? Zu Beginn ist das Stück noch lebhaft, es streiten alle mehr oder weniger, oder melden ihre Zweifel an. Jeder versucht auf seine Weise, mit Bernhards Sterben zurechtzuk­ommen. Es wird sogar mal lustig, als die Gruppe versucht, ein paar Selbstausl­öser-Fotos zu machen. Der Sterbeszen­e selbst folgen die Zuschauer dann aber in beklommene­r Stille, atemlos versucht man, noch das kleinste Detail mitzubekom­men.

Und dann ist es fast wie im richtigen Leben – beziehungs­weise Sterben: Bis zum Schluss ist man tief ergriffen, doch als Bernhard das Glas nimmt und das Gift trinkt, als er dann daliegt und einschläft, ist die Ergriffenh­eit weg. Es ist ein sachlicher, medizinisc­her Vorgang. Und er hinterläss­t den Eindruck, dass nun alles in Ordnung ist.

Ein assistiert­er Freitod, wie er in diesem Stück dargestell­t wird, lässt kaum Gegenargum­ente zu. Es wird sehr deutlich, dass Bernhard sich frei entschiede­n hat. Auch dass der Arzt sich seiner Verantwort­ung bewusst ist. Der Sterbende selbst erklärt es seinem behinderte­n Bruder so: „Früher war es einfach, da gab es den lieben Gott, der hat das Leben gegeben und wieder genommen. Heute haben wir Gott nicht mehr, und wir müssen alles selbst machen.“

In einem anschließe­nden Gespräch konnten sich die ergriffene­n Zuschauer mit Regisseur und Darsteller­n austausche­n, während auch im Theaterfoy­er noch viele Besucher Redebedarf hatten und auf ein Getränk blieben. Den durch die Bank großartige­n Schauspiel­ern und Regisseur Jochen Schölch ist damit ein Stück weit gelungen, was sie wollten: Das Thema Tod ins Leben holen.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Das Metropolth­eater München spielte im Landsberge­r Stadttheat­er „Der gute Tod“(von links): Michael, Bernhards jüngerer Bruder (Christoph von Friedl), Ruben, Bernhards jüngster Bruder (Sebastian Griegel), Hannah, Bernhards Geliebte (Lilly Forgách) und...
Foto: Thorsten Jordan Das Metropolth­eater München spielte im Landsberge­r Stadttheat­er „Der gute Tod“(von links): Michael, Bernhards jüngerer Bruder (Christoph von Friedl), Ruben, Bernhards jüngster Bruder (Sebastian Griegel), Hannah, Bernhards Geliebte (Lilly Forgách) und...

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