Landsberger Tagblatt

An alten Wunden rühren

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Natürlich durfte sich auch der wohl letzte Universalg­elehrte den Esprit von Paris nicht entgehen lassen: Umberto Eco (links), noch lange vor „Der Name der Rose“, mit Regisseur Giulio Macchi im Jahr 1970. Ein schmales Buch mit großer Wucht: Joseph Andras, Jahrgang 1984, hat im Jahr 2016 mit seinem Debüt in Frankreich für den literarisc­hen Aufreger des Sommers gesorgt. Der Nobody aus der Normandie wurde von der Jury des Prix Goncourt für den ersten Roman als Preisträge­r gekürt – obwohl er nicht einmal auf der Liste der Finalisten stand. Was macht der hoch Geehrte daraufhin? Er schlägt den Preis aus! Sein Verständni­s von Literatur sei nicht kompatibel mit der eines Wettkampfs. Ça alors! Dabei hätte das Buch dieser Art der unbeabsich­tigten Werbung gar nicht bedurft.

Andras schreibt über den Kampf Algeriens für seine Unabhängig­keit. Wie sensibel das Thema immer noch ist, hat auch Emmanuel Macron im Wahlkampf erfahren: Als er die Kolonialis­ierung in Algerien als „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“bezeichnet­e, war seine ganze Kampagne in Gefahr. Aber zum Buch: Algier, 1956. Fernand Iveton legt eine Bombe in einer Fabrik, die nicht explodiert. Er wird verhaftet, gefoltert und hingericht­et – von der Republik, deren Justizmini­ster François Mitterrand später als Präsident die Todesstraf­e abschaffen wird… Matthias Zimmermann Joseph Andras: Die Wunden unserer Brüder a. d. Französisc­hen von Claudia Hamm. Hanser,

160 Seiten,

18 Euro Foto: afp

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