Von der Widerständigkeit der Kultur
In Zeiten, in denen gerne mal von „Leitkultur“schwadroniert wird, kommt ein Buch, das überhaupt erst einmal zu erklären versucht, was Kultur ist, gerade recht, sollte man meinen. Und in der Tat greift Terry Eagleton darin weit aus, man könnte aber auch sagen: Er mäandert durch die Geistesgeschichte. Von Platon bis zu seinen Hausheiligen Burke, Herder, Marx und Wilde lässt der Literaturwissenschaftler kaum jemanden aus, der zum Thema nicht irgendetwas beizutragen hätte, und das alles liest sich – wie stets bei dem ebenso vielseitigen wie typisch britisch-ironischen Autor – mit Gewinn und Genuss. Alleine, eine Theorie der Kultur liefert Eagleton nicht, auch wenn er sich müht, etwa den Unterschied zwischen „Kultur“und „Zivilisation“herauszuarbeiten. Interessanter da schon der Unterschied zwischen einer frühen Arbeit zum Thema („Was ist Kultur?“, 2001) und dem aktuellen Buch, in das ein bisschen mehr Skepsis ein- und dem wiederaufkommenden Nationalismus Rechnung gezogen scheint. Dass er diesem mit seiner kulturellen Identitätspolitik ablehnend gegenübersteht, verwundert nicht, einem blinden Multikulturalismus redet er aber auch nicht das Wort. Und so changiert Eagletons „kulturelle Rückbesinnung“als Immunisierung gegen die Anfechtungen der Zeit eher so als dritter Weg irgendwo dazwischen. Alleine die Schwierigkeit, das zu fassen, was Kultur ausmacht, zeigt aber auch, wie widerständig sie sein kann. Christian Imminger