Extrem blutig
Jo Nesbø Harry Hole verfolgt einen Vampiristen
Er beherrscht das Spiel mit falschen Fährten, unerwarteten Volten und Cliffhangern aus dem Effeff – und seine weltweit in die zig Millionen gehenden Leser lieben Jo Nesbø dafür. Bei „Durst“, dem elften Band der Thriller-Reihe um den Mordermittler Harry Hole, werden die Fans des norwegischen Krimistars nicht enttäuscht. Wohl selten hat Nesbø so viele Überraschungen in seine komplexen, oft hochgradig artifiziellen Handlungsgerüste eingebaut. Und wohl selten hat er Horrorund Schock-Elemente derart betont wie in diesem knallharten Roman. So viel als Lockstoff – oder als Warnung, je nachdem. Der (nicht ganz) trockene Alkoholiker Hole wird vom krankhaft ehrgeizigen Polizeipräsidenten Mikael Bellman genötigt, die Spur des bluttrinkenden Psychopathen – eines „Vampiristen“– aufzunehmen, der in Oslo über das Dating-Portal Tinder seine Opfer sucht. Das Ausmaß des Schreckens, aber auch der Hochspannung schon im ersten Teil des Romans übertrifft alles, was man von Nesbø gewohnt war. Geschickt verwebt Nesbø in seinem neuen Pageturner (gut 620 rasant lesbare Seiten) klassische Krimimotive: den verrückten Wissenschaftler, die eigensinnig drauflos schnüffelnde Reporterin, den selbstgewissen Mörder. Sogar ein Quäntchen Humor beweist er, indem er ausgerechnet Hole zum Kneipenbesitzer macht. Aber Nesbø spult diesmal eben auch eine besonders lange Reihe von Splatter-Szenen ab. Nach einigen nicht immer hundertprozentig plausiblen Wendungen kommt es gleich zweimal zum Showdown – atemberaubend geschrieben, aber, na klar, extrem blutig. Werner Herpell (dpa)