Messerscharf
Ottessa Moshfegh Eileen – ein furioses Krimidebüt
Schräger Typ, diese Eileen. Besteht nur aus Haut und Knochen, redet kaum, lächelt nur selten, weil sie das Gefühl hat, ihre Oberlippe würde dann ihren Gaumen entblößen. Außerdem: total verklemmt und ichbezogen. „Für mich war alles kompliziert. Wirklich alles.“Tagsüber arbeitet Eileen in einer Erziehungsanstalt für jugendliche Straftäter, erträgt den dumpfen Job nur, weil sie derweil den schmucken Wärter Randy anhimmeln kann. Abends erledigt sie noch den Einkauf für ihren Vater – eine Flasche Gin –, bevor sie sich mit einem National-Geographic-Heft auf ihr Feldbett im Dachboden verzieht. Von dieser zornigen jungen Frau erzählt Ottessa Moshfegh in ihrem furiosen Roman „Eileen“, nominiert 2016 für den Man Booker Price. Auf Deutsch erschien bereits ihr Erstling „MacGlue“, da ließ sie einen dauerbetrunkenen Seemann seine letzten Stündlein verlallen. Eileen hingegen ist glasklar im Kopf, analysiert mit mitleidloser Schärfe ihr verrohtes Umfeld, gegenüber sich selbst ist sie nicht gnädiger. Ein inneres Gemetzel. Was sie sich gerne vorstellt: wie sie von den Eiszapfen, die über der Haustüre hängen, durchbohrt wird. Der Roman beschreibt die Woche bis zu ihrer Flucht, erzählt im schnodderigen Ton von Eileen selbst. O-Ton: „Am besten war es, wenn die harte Miene eines herzlosen Mörders durch das weiche, unerfahrene Gesicht eines Jugendlichen schimmerte. Das begeisterte mich.“Was in dieser Woche passiert: Sie verliebt sich, sie hält eine Waffe auf eine wehrlose Frau, spürt Macht, dann steigt sie in ein fremdes Auto und verschwindet. Schräg und großartig, das gilt gleichermaßen für Roman wie für Eileen. Stefanie Wirsching