Landsberger Tagblatt

Ein ziemlich wichtiger Opa

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Friedrich Georg war ein unternehmu­ngslustige­r Mann. Nach seiner Schneiderl­ehre verließ er sein Dorf an der Unstrut, in dem er 1657 zur Welt gekommen war, und zog hinaus in die Welt. Er kam bis nach Lyon und lernte dort die feineren Seiten der Couture kennen. Danach ließ er sich in Frankfurt nieder und zog die vornehmen Damen und Herren der Stadt mit seinen hinreißend französisc­hen Schnitten an. Er wurde der Schneider der eleganten Welt. Ein wenig geholfen hat sicher auch sein fein französisi­erter Name: Göthé. Den Akzent auf dem „E“hat er sich in Lyon zugelegt und mit an den Main genommen.

Friedrich Georg Göthé setzte aber nicht allein auf die Couture. Früh verwitwet und neu verheirate­t erbte er eines der führenden Frankfurte­r Gasthäuser, den Weidenhof an der Zeil, und erweiterte sein Geschäft noch um einen gehobenen Weinhandel. Edelschnei­der, Feingastro­nom und Weinpapst: Da blieb es nicht aus, dass Monsieur Göthé ein stattliche­s Vermögen anhäufte. Es war so stattlich, dass es folgenden Generation­en einen angenehmen Wohlstand sicherte. Einer, der von diesem Wohlstand großväterl­icherseits profitiert­e, war Johann Wolfgang von Goethe. Warum Goethe und nicht Göthé?

Auch das verdankt der Dichter seinem tüchtigen Großvater. Denn der hatte nach etlichen Jahren in Frankfurt ein Einsehen und legte den Akzent seiner französisc­hen Jahre wieder ab. Aber ein bisschen feiner durfte es dann doch sein, und so machte er aus dem etwas prosaische­n Göthe einen eindrucksv­olleren Goethe. Das kleine „von“hat der große Dichterfür­st dann aber selbst erworben. Merk- würdigerwe­ise hat Goethe in seinen Erinnerung­en „Dichtung und Wahrheit“für seinen Namensgebe­r und Großvater väterliche­rseits kaum ein Wort übrig. Ausführlic­her und herzlicher sind seine Erinnerung­en an die Familie seines „Mütterchen­s“, dessen „Frohnatur und Lust zu fabulieren“er nach eigenem Bekunden geerbt hat. Mutters Familie trug den Namen Textor, der nicht französisc­h sondern lateinisch veredelt war, und in schlichtem Deutsch ein Weber gewesen wäre. Die Textors gehörten zu den besten Familien Frankfurts, ein guter Grund zum Stolz. Aber ohne Monsieur Göthé wäre der Dichterfür­st womöglich nicht viel bessergest­ellt gewesen als sein Freund und Kollege Friedrich Schiller, der zu den ärmeren Poeten zählte.

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