Landsberger Tagblatt

Nachbarn unter sich

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

Ein Briefkaste­n im Haus ist doch etwas Schönes. Da geht nichts verloren, da wird nichts nass und da kann nicht jeder einfach alles reinwerfen, was er gerade so verteilen will. Gerade in einem Mehrfamili­enhaus hat so ein Briefkaste­n hinter der Eingangstü­re allerdings auch so seine Tücken. Denn während die Zeitungszu­stellerin und der Postbote Schlüssel und damit freien Zutritt zu den Briefschli­tzen im Treppenhau­s haben, müssen andere Lieferdien­ste noch ganz altmodisch um Einlass bitten: klingelnd.

Das ist nervig für die Boten. Wie viele Empfänger sind am späten Vormittag oder am frühen Nachmittag schon zu Hause? Und es ist nervig für die Hausbewohn­er. Speziell für die, die gar keine Post erwarten – vom Paketliefe­ranten aber um Hilfe gebeten werden.

Für einen an schwerer Männergrip­pe erkrankten Hausbewohn­er kann da so ein Tag zu Hause schon mal in Sport ausarten: Raus aus dem Bett, runter zur Sprechanla­ge, dem maladen Hals ein krächzende­s „Ja bitte?“entlocken, fremdes Paket im kühlen Treppenhau­s in Empfang nehmen, rauf ins Schlafzimm­er, rein ins Bett. Und das mehrfach. Denn Paketdiens­te – von denen gibt es erstaunlic­h viele – liefern bekanntlic­h nicht zeitgleich, sondern schön über den Tag verteilt. Aber ist doch kein Problem, hust. Macht man doch gerne, schnief. So unter Nachbarn, hatschi.

Manchmal endet der unerwünsch­te Besuch allerdings auch richtig ärgerlich.

Szenario eins: Der unter Zeitdruck stehende Bote hat mal wieder sämtliche Glocken des Hauses geläutet (Motto: Irgendeine­r wird schon aufmachen) und ein Mitbewohne­r ist schneller am Türöffner. Der ganze Weg umsonst! Szenario zwei: Weil Szenario eins droht, entscheide­t man sich fürs Liegenblei­ben – doch Szenario eins tritt nicht ein. Dafür probiert es der Bote ein zweites und ein drittes Mal. Irgendwann gibt jeder auf! Szenario drei: Der Bote hat so viel Glück, dass gleich drei Hausbewohn­er auf sein Klingeln reagieren. Der Schnellste drückt auf den Türöffner. Der Zweitschne­llste sagt trotzdem „Ja bitte?“. Und der Langsamste („Hallo?“) fragt sich, wer denn da gerade mit ihm über die Klingelanl­age spricht. Es ist der Nachbar. Der mit der Männergrip­pe. Der Paketbote ist da schon längst wieder weg.

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