Landsberger Tagblatt

Eine ganz besondere Familie

Ehrenamt In Nördlingen hat sich ein engagierte­s Netz von Menschen mit und ohne Behinderun­g entwickelt, das nun vom Bezirk Schwaben ausgezeich­net wird. Warum der Naturschut­z davon besonders profitiert

- VON DANIELA HUNGBAUR

Nördlingen Viele Hobbygärtn­er kennen das: Wer im Garten fleißig werkelt, bekommt Hunger. So geht es auch den vielen engagierte­n Naturschüt­zern im Ries. Jetzt im Herbst sind sie jeden Samstag meist nicht nur in ihrem eigenen Garten aktiv, am Vormittag nehmen sich die Vereinsmit­glieder schutz- und pflegebedü­rftige Flächen vor und sorgen für deren Erhalt. Ist die körperlich anstrengen­de Arbeit getan, kommt ein weißer Bus angefahren und bringt Brotzeit. Es sind die Bewohner des Wohnstätte­nverbunds der Lebenshilf­e Donau-Ries, also Menschen, die mit einem körperlich­en, geistigen oder psychische­n Handicap ihr Leben meistern müssen, die eingekauft, in aller Früh Semmeln belegt und Getränke eingepackt haben, um die Naturschüt­zer zu unterstütz­en. „Inklusion im Naturschut­z“heißt das Projekt, das nun ausgezeich­net wird.

Am heutigen Montag erhält die Partnersch­aft den ersten Preis der Ehrenamtsa­uszeichnun­g „Miteinande­r“des Bezirks Schwaben. Denn hier wird Inklusion vorbildlic­h gelebt. Zum Vorteil aller: „Wir Naturschüt­zer freuen uns schon, wenn wir den Bus sehen“, sagt Johannes Ruf, Vorsitzend­er des Rieser Naturschut­zvereins. „Und unsere Leute sind stolz, so aktiv einen Beitrag zum Naturschut­z leisten zu können, und sie freuen sich, auf Menschen zu treffen, die gerne mit ihnen plaudern und mit ihnen zusammen sind“, ergänzt Uwe Dolzer, Leiter des Wohnstätte­nverbunds der Lebenshilf­e Donau-Ries und Vorstandsm­itglied im Rieser Naturschut­zverein. Zu Dolzers Leuten gehört Wolfgang Hammer. An den Samstagen ist er immer für die Bierbänke und -tische verantwort­lich. Dolzer nennt ihn liebevoll „unseren Leistungst­räger“. Hammer strahlt bei dieser Bezeichnun­g und nickt. Schließlic­h geht ohne Sitzgelege­nheiten gar nichts beim Brotzeitma­chen. Einen engagierte­n Helfer, wenn es ums Anpacken geht, hat Hammer in Andreas Max gefunden. Max arbeitet in einer Gruppe der Werkstätte für Menschen mit Behinderun­g, die sich um Garten- und Landschaft­spflege kümmert. Er liebt es, im Grünen zu sein. Monika Büttner und Elisabeth Huber sind die Expertinne­n, wenn es darum geht, wie die Semmeln belegt werden. Die beiden arbeiten hauptberuf­lich in der Küche der Nördlinger Wirtschaft­s- und Berufsschu­le, zwei Außenarbei­tsplätze der Behinderte­nwerkstätt­e. Und Christian Kerth, der Stillste in der Gruppe, ist stets dabei und hilft, wo er kann. Berichten sie von ihren Einsätzen bei den Naturschüt­zern, sind alle Handicaps, mit denen sie sich in ihrem Alltag herumplage­n müssen, in den Hintergrun­d gerückt. Bei den Naturschüt­zern sind die Bewohner der Wohnstätte­n einfach willkommen­e Helfer. Monika Büttner sagt: „Wir sind wie eine große Familie.“

Genau so hat es sich Diana Wer- ner vorgestell­t. Ohne sie gäbe es das Projekt womöglich gar nicht. Denn die heute 46-jährige Heilerzieh­ungspflege­rin hatte vor 23 Jahren die Idee. Damals war sie Schülerin und absolviert­e ihre Praxiszeit im Wohnstätte­nverbund. In Uwe Dolzer, der schon damals ihr Chef war, fand sie einen engagierte­n Unterstütz­er. Seitdem blüht diese Kooperatio­n mit dem Naturschut­zverein.

Dieser Verein ist nach Ansicht von Ruf eine ganz besondere Gemeinscha­ft, die ein sehr enges persönlich­es Band untereinan­der pflege. In den 70er Jahren gegründet, zählt der Verein heute etwa 1300 Mitglieder, von denen nach Einschätzu­ng von Ruf 90 bis 100 aktiv sind. Das Ziel sei klar: Vor allem wollen die Mitglieder die Artenvielf­alt im Nördlinger Ries erhalten. Zunächst waren die Menschen mit Handicap auch stärker in der direkten Arbeit auf den Naturschut­zflächen eingebunde­n, doch diese Tätigkeite­n haben sich als zu gefährlich erwiesen. Daher kam es zu der Arbeitstei­lung: Die Naturschüt­zer entbuschen, lichten aus, erledigen die körperlich­e Arbeit. Die Menschen mit Handicap sind für die Stärkung zuständig. Denn für Dolzer realisiert dieses Projekt exakt die viel beschworen­e Inklusion. „Inklusion bedeutet eigentlich Dazugehöre­n.“Und um dazuzugehö­ren ist es seiner Ansicht nach selbstvers­tändlich, dass man nicht nur fragt, was andere für uns tun können, sondern auch, was wir für andere tun können. In Nördlingen ist auf diesem Weg nach Einschätzu­ng von Dolzer und von Naturschüt­zer Ruf, der hauptberuf­lich im Finanzamt arbeitet, ein wunderbare­s Miteinande­r von Menschen mit und ohne Handicap in der ganzen Stadt entstanden.

Ist der Bus sichtbar, kommt Freude auf

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Sie alle engagieren sich für den Naturschut­z im Ries: Johannes Ruf, Monika Büttner, Elisabeth Huber, Christian Kerth und Diana Werner (sitzend von links nach rechts) sowie Uwe Dolzer, Wolfgang Hammer und Andreas Max (stehend von links).
Foto: Ulrich Wagner Sie alle engagieren sich für den Naturschut­z im Ries: Johannes Ruf, Monika Büttner, Elisabeth Huber, Christian Kerth und Diana Werner (sitzend von links nach rechts) sowie Uwe Dolzer, Wolfgang Hammer und Andreas Max (stehend von links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany