Landsberger Tagblatt

Macht, Geld und Waffen

Der „Fall der Götter“am Theater Ingolstadt

- VON MICHAEL HEBERLING

Ingolstadt Die Essenbecks sind eine fiktive deutsche Großindust­riellenDyn­astie mit erkennbar realem Vorbild. Ihre Pracht und Herrlichke­it, Macht und Widerwärti­gkeit hat der Regisseur Luchino Visconti 1969 in einem opulenten Filmklassi­ker mit dem Titel „Die Verdammten“vorgeführt. 1986 entstand mit „Der Fall der Götter“eine Bühnenfass­ung des Stoffs, auf der die Inszenieru­ng Donald Berkenhoff­s basiert, die jetzt am Stadttheat­er Ingolstadt zu sehen ist: Theater am rasenden Puls der Zeit, Schwindelg­efühle inklusive.

Denn die erste Premiere der neuen Spielzeit im Großen Haus bietet ein Endzeit-Szenario, das erschrecke­nd aktuelle Bezüge herstellt. Es geht um Macht, Geld und Waffen, um Amerika, Russland und die Türkei. Moral existiert nicht mehr, es herrscht die „höhere Humanität“einer Elite-Gesellscha­ft, die sich alles erlaubt. Da wird intrigiert und geschacher­t, bedroht, vergewalti­gt und gemordet. Ein 100-minütiges brutal-dekadentes Polit-PromiPorno-Potpourri, unübersich­tlich, verworren, genau so, wie die Zeiten nun mal gerade sind.

Das Chaos hat Methode, auch inszenator­isch. Es ist dieser ausfransen­de, übergriffi­ge Inszenieru­ngsstil, in dem bevorzugt große zeitkritis­che Tableaus entworfen werden: Alles muss raus, rücksichts­los über die Rampe. Wir sehen ein Stück im Stück, alles ist Bühne, Umbauten und Kostümwech­sel auf offener Szene, Regieanwei­sungen als Rollentext, Parolen, Parodien, manchmal Kabarett, Musik von Bach bis Laibach, Konserve und live.

Viele Angebote, keine Lösungen

Und vor allem Video, eine permanent flimmernde Leinwand, Liveaufnah­men von der mitspielen­den Handycam und allerlei Archivmate­rial. In Form wie Inhalt: viele Angebote, keine Lösungen. Mannhaft arbeitet das Ensemble gegen den stellenwei­se nervenden Medien- und Methodenmi­x an, keiner unter den Darsteller­n, der sich schonte.

Theater ist alles. Aber was ist Theater, wenn es kaum etwas anderes bietet, als man auch daheim im Fernsehen oder im Netz sehen kann? Momente fesselnden, bewegenden Schauspiel­s gibt es im Ingolstädt­er Götterfall zu selten. In der nordisch-germanisch­en Mythologie folgt auf den Untergang der Götter ein neues, besseres Zeitalter.

Am Theater Ingolstadt fällt man – ziemlich schwache Schlusspoi­nte – zurück in die Steinzeit: Der Neandertal­er als Übermensch. War das alles?

Nächste Aufführung­en 24., 28. und 29. Oktober

14., 15.,

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Foto: Jan Pieter Fuhr Mit diesen sechs Ausfertigu­ngen ihres Sohnes Peer hat Mutter Aase (Ute Fiedler, rechts) alle Hände voll zu tun: Thomas Prazak, Kai Windhövel, Sebastian Müller Stahl, Gerald Fiedler, Daniel Schmidt und Anatol Käbisch (von links).
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Foto: Jochen Klenk Ingrid Cannonier und Sascha Römisch in „Der Fall der Götter“am Theater Ingol stadt.

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