Landsberger Tagblatt

Dein Reich komme, Tatort!

Theater Krimi Die Augsburger Stadtteile öffnen sich jetzt der aufkläreri­schen Schauspiel­kunst

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Augsburg Über die breit klaffende Lücke, die ein fehlender regelmäßig­er Augsburg-„Tatort“-Krimi bislang riss, baut jetzt das Theater am Lech eine Brücke.

In Folge 1 wird allgemein und durchlässi­g „Zu neuen Ufern“gestrebt – so der Titel: Ein Musentempe­l öffnet sich dem Verbrechen und der Fahndung (sowie dem Lokalpatri­otismus), und die Augsburger Stadtteile wiederum werden sich der Reihe nach der aufkläreri­schen Schauspiel­kunst öffnen.

Also „zu neuen Ufern“. Zwei Kriminalko­mmissare sind nach Augsburg beordert, auf dass sie Licht bringen mögen in das Dunkel um einen Mord an einer Kollegin im Polizeiprä­sidium Gögginger Straße. Der Polizeiprä­sident indes gibt sich – naturgemäß? – alle Mühe, die Ermittlung­en zu behindern.

Zupass kommt ihm da ein frischer Toter in Augsburgs Unterwelt, im Unesco-Kulturerbe-trächtigen Kanalsyste­m der City. Jetzt sind die zwei Kommissare fürs Erste mal anderweiti­g beschäftig­t.

Und so jagt das 80-köpfige Publikum dem mutmaßlich­en Mörder des Unterwelt-Toten von der Hoffmann-Keller-Bühne über den Ernst-Reuter-Platz bis ins Viertel Lechhausen hinterher – nachdem Kommissar Weber kraft Amtes kurzerhand einen Stadtbus beschlagna­hmte. Am Rande der Ermittlung­en, die in den Straßensch­luchten der Stadt von so manchem Auto gekreuzt werden, stellen sich lauter kleine Augsburger Pro-Seminare ein: über die Breze an sich, über das mittelalte­rliche Wassersyst­em, über Kaiser Maximilian I., über das Theater und das ehemalige Schlößle in Lechhausen. Da kannste was erfahren.

Aber jetzt mal im vollsten Ernst: Wer die durchschni­ttliche Durchschni­ttlichkeit der TV-„Tatort“-Dialoge kennt, der fährt mit dem Augsburger Theater-„Tatort“deutlich besser. Witz, Hintersinn, schwarzer Humor und Eigenironi­e sind verknüpft (Buch Andreas Hillger). Man hat was zu kichern. Publikumsk­ommentar auf dieser Schnitzelj­agd für Fortgeschr­ittene: „Das ist das Beschte!“

Und die Hauptakteu­re geben ja auch wundersam skurrile Figuren ab. Ein Schauspiel­ergewinn für Augsburg dürfte Natalie Hünig als Kommissari­n Bruch sein: Die lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen, die lässt sich nicht über den Mund fahren. Kollege Klaus Müller (Kommissar Weber) macht den Antipoden: empathisch, beruhigend, weich, letztlich erfolgreic­her. Und Katharina Rehn als promoviert­e Kanalsyste­m-Stadtführe­rin Thielemann versammelt – fast zu klischeeha­ft – die vermeintli­chen Züge von Geisteswis­senschaftl­ern: hypernervö­s, konfus, missionari­sch eifernd im eigenen Metier.

Womit wir bei den letzten Dingen dieser flüssigen und technisch versierten Krimi-Inszenieru­ng von David Ortmann sind: beim christlich­en Glauben. Er spielt keine geringe Rolle auf dem hier präsentier­ten Weg von Schuld und Sühne. Abgesehen davon, dass beinahe ein bedeutende­r Kreuzzug-ReliquienS­chatz geborgen wird, abgesehen davon, dass Kommissar Weber seine Ermittlung­en ungeheuer bibelfest unterfütte­rt: Die letzte Szene führt zum Showdown auf die Altarstufe­n der Lechhauser Kirche St. Petrus.

Ergo: Nicht nur das Theater öffnet sich und dazu so mancher Stadtteil, auch die evangelisc­he Kirche macht Tür und Tor hoch und weit, auf dass der Krimi Einzug halte. Adveniat, Tatort! Rüdiger Heinze

Achtung Die bislang angesetzte­n sie ben weiteren Abende sind ausverkauf­t.

Kommissar Weber ermittelt ungeheuer bibelfest

 ?? Foto: J. P. Fuhr ?? Die Kriminalko­mmissarin Corinna Bruch (Natalie Hünig) ermittelt in der Augsbur ger Kirche St. Petrus.
Foto: J. P. Fuhr Die Kriminalko­mmissarin Corinna Bruch (Natalie Hünig) ermittelt in der Augsbur ger Kirche St. Petrus.

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