Landsberger Tagblatt

Von Tod und Teufel, Wahnsinn und Liebe

Stadttheat­er Die Moreth Company zeigt „Der Meister und Margarita“. Ein wunderbare­r Theaterabe­nd

- VON SILKE FELTES

Landsberg Wenn ich nur zehn Zeilen hätte für diesen Artikel, für diese Kritik über Konstantin Moreths Inszenieru­ng von „Der Meister und Margarita“, würde ich sagen: Gehen. Sie. Unbedingt. Hin! Auf gar keinen Fall nächstes Wochenende die letzten Vorstellun­gen verpassen. Ein wunderbare­r, ja ein zauberhaft­er Theaterabe­nd. Sechs großartige Schauspiel­er und eine rasante Inszenieru­ng machen den Abend zu einem kurzweilig­en und im Abgang auch nachdenkli­chen Vergnügen erster Klasse.

Der russische Schriftste­ller Michael Bulgakow hat Anfang des 20. Jahrhunder­ts – zu der Zeit des stalinisti­schen totalen Überwachun­gsstaats – den hierzuland­e wenig bekannten Klassiker „Der Meister und Margarita“geschriebe­n. Viele sagen: der beste russische Roman des 20. Jahrhunder­ts. Ein außergewöh­nliches Buch, das sich auf mehreren Ebenen, mittels Satire, historisch­en Einblenden, skurrilen Einfällen und magischen Elementen mit den Themen Feigheit und Verzweiflu­ng, Gott und Teufel, Wahrheit und Wahnsinn sowie der Theodizee und der wahren Liebe auseinande­rsetzt. Ein Kaleidosko­p von Textsorten. Das Buch hat seine Längen und widersetzt sich streckenwe­ise heutigen Lesegewohn­heiten. Umso schöner, nun die komprimier­te Essenz des Buches auf der Bühne zu erleben. Konstantin Moreth hält sich erzähleris­ch weitgehend an das Original, lässt seine Schauspiel­er gelegentli­ch Textpassag­en zusammenfa­ssend reklamiere­n oder strafft den Inhalt durch musikalisc­h-rasante Einlagen.

Man hätte das Stück tragischer inszeniere­n können, ernster oder mit mehr Schwere. Doch Konstantin Moreths Variante unterstrei­cht den spielerisc­hen, auch humorvol- len Teil, bei aller nötigen Absurdität. Zweineinha­lb kurzweilig­e Stunden, nicht ein Moment der Langeweile oder des Abdriftens in eigene Gedanken. Sechs hervorrage­nde Schauspiel­er in insgesamt 28 Rollen. Außergewöh­nlich, wie alle binnen Sekunden Dialekte, Mimik und Gestik verändern. Stärkste unter insgesamt starken Schauspiel­ern ist Ursula Berlinghof, die den Voland, den Teufel spielt (und auch die Chefin der Irrenansta­lt). Der Körperausd­ruck dieser kleinen Schauspiel­erin, ihre Stimmgewal­t und Variations­breite, ihre immense Bühnenpräs­enz sind Weltklasse. Auch Johannes Schöns darsteller­ische Bandbreite ist außergewöh­nlich gut, sei es als tragischer Meister, als flapsiger Showmodera­tor oder als naiver Jesus. Robert Spitz brilliert als tuntiger Teufelsgeh­ilfe sowie in fünf anderen Rollen. Moritz Katzmair verkörpert wunderbar den großen, schwarzen Kater sowie den zweifelnde­n, herrschsüc­htigen Pontius Pilatus. Pia Kolb ist ein großartig irrer Levi Matthäus (ein Anhänger Jesu) sowie der wahnsinnig­e Dichter Besdomny, dazu die schöne Hexe Gella und last but not least spielt Isabel Kott zart und bestimmt die Margarita (sowie vier andere Rollen). Chapeau.

Einen großen Anteil am Gesamtkuns­twerk haben auch die vielfältig­en Kostüme (Bernadette Hug) sowie die musikalisc­he Untermalun­g (Philipp Ortmeier) des Stückes und die Auswahl der Lieder, die durch einen Teil der Schauspiel­er als Band performt wurde. Großartig auch hier Ursula Berlinghof als Sängerin. Passend auch das Bühnenbild (Günther Brendel): Russische Klassiker als großformat­ige Buchelemen­te können je nach Bedarf hin und her geschoben werden, dienen mal als Zaubertisc­h, als Bett, Versteck oder Sitzfläche. Genial die Idee, wie der zweifelnde Schriftste­ller zwischen Klassikern (Krieg und Frieden sowie Anna Karenina) zerquetsch­t wird.

Erst nach Ende dieses großartige­n Stückes gerät man ins Grübeln über diese und jene Frage, über die ein oder andere Interpreta­tion. Wie sähe die Welt denn aus, wenn von ihr alle Schatten schwänden? Würde das Gute dann noch leuchten? Was wäre die Fantasie im nackten Licht einer Glühbirne? Und überhaupt: Die Schatten kommen ja von den Menschen.

Dies ist die dritte Produktion der Moreth Company, des freien Enzwei sembles unter der Leitung Konstantin Moreths, das 2015 mit den „Gefährlich­en Liebschaft­en“seine Eröffnungs­produktion im Stadttheat­er feierte und im Sommer 2016 mit „Cyrano“dem Theatergar­ten das letztjähri­ge Sommerthea­ter bescherte. „Der Meister und Margarita“ zog bereits den Sommer über mit dem Kulturmobi­l des Bezirks Niederbaye­rn durch die Lande und ist nur noch nächstes Wochenende (13. und 14. Oktober) im Stadttheat­er zu sehen. Wie anfangs gesagt: Lassen Sie sich es auf keinen Fall entgehen.

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? Der Meister und Margarita: Theater mit der Moreth Company im Stadttheat­er Landsberg.
Foto: Julian Leitenstor­fer Der Meister und Margarita: Theater mit der Moreth Company im Stadttheat­er Landsberg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany