Die Neugier wecken
Rathauskonzerte Die Saison beginnt mit ungewöhnlichem Programm
Landsberg Auftakt der Konzertsaison und ein bereits sehr gut gefüllter Saal: Die Veranstalter der Reihe Rathauskonzerte Landsberg waren sehr erfreut über diesen Zuspruch. Das nicht alltägliche Musikprogramm des Abends hatte zudem viele junge Zuhörer und Jugendliche angelockt. Es beweist, dass auch in der klassischen Musik ausgetretene Pfade verlassen und neue Wege angelegt werden müssen. Dann ist die Neugier geweckt und Begeisterung kann sich Bahn brechen.
Den beiden Protagonisten des ersten Abends der Reihe, Eckart Runge (Violoncello) und Jacques Ammon (Klavier) gelang das mit „Baroque Blues“, einem Programm, in dem auf den ersten Blick Musik aus Barock und Jazz wahllos aneinandergereiht beziehungsweise Kompositionen von Händel, Bach, Vivaldi und Gluck Werken von Heitor Villa-Lobos, Miles Davis, Chick Corea und weiteren Zeitgenossen gegenübergestellt waren. Eine solche Annahme, hätte es sie gegeben, wäre grundlegend falsch gewesen. Das Duo Runge & Ammon hatte ganz gezielt in beiden Musikgenres geforscht und Stücke gefunden, die nicht nur wegen der gleichen Tonart, sondern auch aufgrund ähnlicher Stimmungen nahtlose Übergänge möglich machten.
Ein wenig Anpassung war natürlich meist schon nötig, zumal das Duo kaum Originalkompositionen für Cello und Klavier spielte. Fast alles, egal ob Barock oder Moderne, war bearbeitet und das hervorragend. Dazu kam die Begeisterung, mit der die beiden Musiker „arbeiteten“und die sich von Beginn an auf das Publikum übertrug. Jubel und Bravorufe gab es so schon beim ersten Paar, einem Larghetto von Händel und Gershwins „It Ain’t Necessarily So“.
Fast unmerklich hatten sich die Musiker vom Barock in den beginnenden Jazz gebeamt, und nur ein paar Melodiefetzen kündeten von der Musik der Moderne. Die Erklärung, wie so etwas möglich ist, lieferte Runge nach: „Der Jazz kommt aus dem Barock.“Warum? Weil bei beiden Musikstilen Improvisation an der Tagesordnung ist. Während Klassiker und Romantiker jeden Ton haarklein aufschrieben, gab es im Barock oft nur einzelne aufgeschriebene Noten, die mit Trillern und weiteren Verzierungen verherrlicht wurden.
Der Jazz schließlich wird erst mit Improvisation lebendig, musikalische Vorgaben sind höchstens angedeutet niedergeschrieben. Außer bei Nikolai Kapustin: Der aus der Ukraine stammende Komponist, der seit seiner Studienzeit sehr zurückgezogen in Moskau lebt, schreibt alles nieder, jede Note, jeder Ausdruck ist vermerkt und vorgeschrieben. Kapustin hat es dem Duo Runge & Ammon so angetan, dass er ausfindig gemacht und besucht werden musste. Er sei kein Jazzkomponist, habe der Perfektionist selbst betont, berichtete Runge, der den ganzen Abend über sehr unterhaltsam durch das Programm führte, von Kapustin, einem „wortkargen, fast schüchternen Herrn mit einem eigenartigen Humor. Seine Musik hat alle Elemente des Jazz, aber in einer irgendwie altertümlichen Form. Und sie ist sehr, sehr schwer“, fügte der Cellist schmunzelnd an. Das deutete das Duo mit „Nearly Waltz“, einem Stück zwischen Dreiviertel- und Fünfvierteltakt an. Weiterer wichtiger Komponist für Runge & Ammon ist Astor Piazzolla: „Seine Musik hat uns beide zusammengebracht“. Vermutlich auch, weil der Argentinier ähnlich wie das Duo, Anhänger der Musik von Johann Sebastian Bach war und die Verbundenheit zum Barock in seinen Kompositionen immer wieder hörbar wird. Piazzollas etwas eigenwillig interpretierter „Libertango“als Zugabe, der die Zuhörer von den Sitzen riss, geriet fast zu einer Liebeserklärung an den Komponisten.
Hier zeigte sich in besonderem Maß die Verbundenheit von Jacques Ammon zum Jazz, hier ging der Pianist, der neben dem stets expressiv, fast extrovertiert musizierenden Cellisten eher zurückhaltend wirkte, völlig in der Musik auf.