Über die wahre Freundschaft
Solo Gilla Cremer beleuchtet das Thema in allen Facetten
Landsberg Gilla Cremer macht süchtig. Wer sie einmal in Aktion erlebt hat, will immer noch mehr davon. Dabei tut sie scheinbar gar nichts Besonderes: Sie hält sich allein – nein, diesmal mit Gerd Bellmann als musikalischem Begleiter – auf der Bühne auf und erzählt einfach. Im Landsberger Stadttheater war sie mit ihrem neuen Stück „#Freundschaft“zu Gast.
Gilla Cremer ist zugleich Autorin und Hauptdarstellerin ihrer EineFrau-Stücke. Sie greift sich ein Thema aus dem Leben heraus und bespricht, beleuchtet, umkreist es derart vielseitig, unterhaltsam, witzig und tiefsinnig, dass man sich vorkommt, als befinde man sich gerade in einem angeregten Gespräch mit ihr. „#Freundschaft“ist zudem bereichert durch die Klavier- und Gesangsbegleitung von Gerd Bellmann, der es perfekt versteht, sich mal fast unbemerkt im Hintergrund zu halten, mal solistisch oder mit Gilla Cremer zusammen ein Lied über die Freundschaft anzustimmen. Die Autorin schlüpft in die Rolle von Ruth und erzählt von ihrer fast lebenslangen Freundschaft mit „Niwea“(ein FreundinnenSpitzname), von der Pubertät über die Studienjahre bis zu Lebens- und Ehekrisen und zuletzt sogar dem Tod. Und wieder schafft sie es, dass jeder sich hier wiederfindet, jeder die Szenen vor sich sieht, die er selbst schon einmal so oder ähnlich erlebt hat. Die Rangelei um die Poesiealben in der Grundschulzeit. Eifersucht und Verrat unter Schulfreundinnen. Konkurrenz bei den Jungs in der Pubertät. Dann die Studenten-WG in ihrem Chaos, der störende Lebenspartner der besten Freundin, das Thema Umzug – der Prüfstein von Freundschaft überhaupt. Runde Geburtstage und die Schwierigkeit, wen man einlädt – und wer dann auch kommt. Genialer Aufhänger ist ein Kostümfest der Studenten, bei dem jeder eine Einlage über das Thema „Freundschaft“bringen muss, von Flipper bis Epikur.
Gilla Cremer schafft es, immer lebendig zu erzählen und mit minimalen Requisiten – drei Klappleitern und ein dickes Seil – Bühnenbilder zu schaffen. Und jedes Mal sieht man es förmlich vor sich: Das Schlangenkostüm aus dem um den Körper geschlungenen Seil, den aufgeblasenen Partner der Freundin, dargestellt durch die große Leiter, die vor der kleinen steht. Die Schauspielerin kraxelt auf den Leitern herum, spielt mit ihnen, stellt sie auf, legt sie flach, macht sie zu Personen, Häusern, einem Schiff, einer Totenbahre. Ganz nebenbei streuen Cremer und Bellmann schöne Lieder und Songs von Freundschaft ein: „You’ve Got a Friend“von Carole King, „Ein Freund, ein guter Freund“von den Comedian Harmonists, „With a Little Help from My Friends“von den Beatles und viele, viele mehr, stets nur angerissen, aber gleich zu erkennen. Auch unzählige schöne und merkenswerte Zitate hat sie gekonnt eingeflochten, von Brecht und Schiller, Aristoteles und Augustinus, Rafik Schami und Saint-Exupéry. Vieles möchte man am liebsten mitnotieren, sich an die Wand hängen, um es nicht zu vergessen. So wie die sieben Todsünden und die sieben Lebenselixiere der Freundschaft. Oder Aristoteles’ Einteilung in Nutz-, Lust- und wahre Freunde. Unweigerlich fängt es in jedem Zuschauerkopf an zu rattern, und in der Pause gibt es aufund angeregte Gespräche.
Bei alldem fragt man sich als Zuschauer (wie in jedem ihrer Stücke): Wie kann Gilla Cremer so authentisch spielen? Erzählt sie da eigentlich ihre eigene Geschichte? Irgendwie sicherlich. Im Programm steht unter „Narrative Beratung“: Das Leben, Interviews, Gespräche, Literatur. Sie hat es wieder geschafft, ein Thema mitten aus dem Leben aufzugreifen und zu vertiefen, anzureichern und auszuloten, mit Spannung, Niveau, Tiefgang und Unterhaltungswert.