Landsberger Tagblatt

Keine Orte der Angst dulden

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Es wäre nur ein kurzer Fußweg für die Bundeskanz­lerin, die Minister und die Abgeordnet­en des Bundestage­s. Sie könnten sich im Berliner Tiergarten mit eigenen Augen ein Bild vom Elend der Obdachlose­n machen und den jungen Flüchtling­en, die sich prostituie­ren. Sie könnten die Drogenhänd­ler sehen, die Spritzen auf dem Boden. Und die Kerzen, die an eine auf dem Heimweg durch den nächtliche­n Park ermordete Frau erinnern. Vielleicht würden sie dann das Gefühl der Unsicherhe­it, der Bedrohung besser verstehen, das immer mehr Bürger immer öfter befällt – nicht nur in der Hauptstadt.

Natürlich liegt die Schuld zunächst bei den Berliner Behörden. Doch das Abschieben von Verantwort­ung der jeweiligen politische­n Ebenen an andere empfinden die Bürger als spitzfindi­g. Der Staat als Ganzes ist verpflicht­et, rechtsfrei­e Zonen zu bekämpfen, wo immer sie entstehen. Sonst droht ein nicht zu reparieren­der Verlust des Vertrauens in die gesamte Politik. Öffentlich­e Parks sollen Orte der Erholung sein – nicht der Angst. wild, in Zelten und unter Planen. Immer wieder wird von Schwänen berichtet, die dort getötet, gerillt und verspeist werden

Quer durch den Park führt die prächtige Straße des 17. Juni vom Brandenbur­ger Tor zur Siegessäul­e mit der golden schimmernd­en Viktoria. Doch in den Büschen um das Monument preußische­n Glanzes verkaufen junge Männer ihre Körper, bieten sich für 20 Euro meist älteren Freiern an. Laut Tagesspieg­el sind es teils minderjähr­ige Flüchtling­e ohne Aufenthalt­sstatus.

Auf dem Fußweg zwischen dem „Schleusenk­rug“, einem der beliebtest­en Biergärten der Stadt, und dem Bahnhof Zoo erinnern Kerzen und Blumen an Susanne F., die dort Anfang September brutal getötet wurde. Gegen 22 Uhr, auf dem Heimweg aus dem Lokal, begegnete die 60-jährige Kunsthisto­rikerin ihrem Mörder. Erst nach drei Tagen fanden Spaziergän­ger ihre Leiche im Gebüsch. Als dringend tatverdäch­tig gilt ein 18-jähriger Tschetsche­ne. Mutmaßlich­es Mordmotiv: Habgier. Die Beute: 50 Euro und ein Handy. Seit dem Mord meiden noch mehr Menschen den Tiergarten – nicht nur nachts.

Der drastische Hilferuf des Bezirksbür­germeister­s von Mitte hat die Debatte um die öffentlich­e Sicherheit nun neu angefeuert. Erste Konsequenz­en gibt es bereits. Der Senat beschloss, dass ab heute mehr Polizisten im Tiergarten Streife gehen sollen.

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