Ist die Maut jetzt noch zu retten?
Das steckt hinter der Klage aus Österreich
Augsburg/Berlin Alexander Dobrindt war gewarnt. Am Mittwoch, erzählt Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried, habe er den Kollegen in Berlin angerufen und über die Klage gegen die deutsche Pkw-Maut informiert, die Österreich gestern beim Europäischen Gerichtshof eingereicht hat. Die Vorbereitungen für das Vorhaben laufen davon unbeeindruckt weiter.
Warum will sich Wien nicht mit der Maut abfinden? Die EU-Kommission hat sie nach einigen Korrekturen ja akzeptiert und ihr Verfahren gegen Deutschland eingestellt.
„Die deutsche Maut ist eine Ausländermaut“, sagt Leichtfried. Da faktisch alle Autofahrer von ihr befreit sind, deren Pkw in Deutschland zugelassen ist, handle es sich um eine „indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit“. Aus Wiener Sicht spricht im Prinzip nichts gegen eine Maut, schließlich verlangt Österreich auf seinen Straßen selbst eine ähnliche Abgabe. Dass sie in Deutschland aber nur Ausländer bezahlten, sei mit den Grundwerten der EU nicht vereinbar. Dobrindts Ministerium dagegen hält die Maut für rechtmäßig und beruft sich ausdrücklich auf die EU-Kommission. Die habe der Bundesregierung schließlich grünes Licht gegeben. Leichtfried wiederum hält das für eine Vorzugsbehandlung des größten EU-Landes. Die Kommission habe Deutschland zuliebe beide Augen fest zugedrückt. „Dabei riecht man zehn Meter gegen den Wind, dass hier diskriminiert wird.“In Deutschland sollen Pkw-Fahrer zwar formell die Maut bezahlen, sie bekommen ihr Geld über einen Nachlass bei der Kfz– steuer aber praktisch wieder zurück.
Im Moment laufen die Ausschreibungen für die Einführung der Pkw-Maut. Müssen sie jetzt gestoppt werden, bis der Europäische Gerichtshof entschieden hat?
Nein. Die Klage Österreichs hat keine aufschiebende Wirkung. Leichtfeld hofft jedoch, dass das Verfahren vor dem EuGH abgeschlossen ist, ehe die Maut in Deutschland starten soll – also Anfang 2019. Sicher ist das nicht: Der Europarechtler Walter Obwexer, der für die Regierung in Wien ein entsprechendes Gutachten verfasst hat, rechnet mit einem Urteil erst in den ersten Monaten des Jahres 2019. Bisher hat das Verkehrsministerium nach eigenen Angaben gut zwölf Millionen Euro für die Vorbereitung der Maut ausgegeben. Mit der Klage Österreichs, fordert der SPD-Verkehrsexperte Martin Burkert, müsse daher ein Stopp aller weiteren Vorbereitungen einhergehen. „Sonst werden womöglich Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt.“Das bedeute auch, dass die laufenden Ausschreibungen ausgesetzt werden müssten.
Mit den Grünen und der FDP verhandeln nun zwei Parteien über eine Koalition mit der Union, die Dobrindts Maut bisher abgelehnt haben. Scheitert sie am Ende nicht an einer österreichischen Klage, sondern an deutschen Rivalitäten?
Vor den ersten Sondierungsgesprächen in der kommenden Woche halten sich alle Teilnehmer noch bedeckt. Ginge es um die Sache alleine, um den Aufwand, den Ertrag und die rechtlichen Probleme zum Beispiel, dann wäre die Maut schnell beerdigt – auch die CDU hat die Pläne der CSU ja nur halbherzig mitgetragen. Auf der anderen Seite wird Horst Seehofer darauf bestehen, dass einmal Verabredetes und bereits in Gesetze Gegossenes nicht wieder infrage gestellt wird. Würde Angela Merkel die Pkw-Maut jetzt zum Abschuss freigeben, wäre das auch ein Affront in Richtung der Schwesterpartei.