Landsberger Tagblatt

Tongewitte­r im Rittersaal

Konzert Ein überrasche­nder Nachmittag voll technische­r Brillanz in St. Ottilien

- VON ROMI LÖBHARD

St. Ottilien Fryderyk Chopin und Ferenc Liszt: Zwei Komponiste­n aus Osteuropa, einer aus Polen, einer aus Ungarn; dazu ein polnischer Pianist – was würde die Zuhörer im Rittersaal des Exerzitien­hauses St. Ottilien bei dieser Konstellat­ion erwarten? Slawisch-baltische Seele, gefühlsbet­onte Interpreta­tion? Nichts von alledem: Wojciech Waleczek ist ein Pianist, dessen Spiel geprägt ist von Perfektion, Virtuositä­t, technische­r Brillanz. Er geht in der Musik auf, arbeitet mit dem ganzen Körper und hält doch stets eine gewisse Distanz. Die Vorgaben der Komponiste­n werden genau eingehalte­n, Dynamik, die gesamte Phrasierun­g ist stilecht. Es wird nichts paraphrasi­ert, Waleczek ist da strikt. Das bietet Vorteile für den Pianisten, der sich ganz auf die Klaviatur und die vorgegeben­en Noten, die längst in seinem Kopf eine Heimat gefunden haben, konzentrie­ren kann, der sich nur auf die stets wechselnde­n Flügel oder Klaviere einstellen muss. Auch die Zuhörer profitiere­n, sie bekommen so Musikgenus­s in Vollendung serviert.

Das Konzert in St. Ottilien begann mit Fryderyk (Frédéric) Chopins „Variations Brillantes“zu einem Thema aus einer längst in Vergessenh­eit geratenen Oper. Chopin hatte kurze, expressive, in der Ausführung sehr unterschie­dliche Stücke geschaffen. Waleczek schaltete mühelos um von romantisch-harmonisch­en Tonfolgen zu gnadenlosb­rachialem Tongewitte­r.

Die folgenden drei Walzer waren von unterschie­dlichen Stimmungen geprägt. Während Nummer eins und drei bei allem Anspruch des Komponiste­n tänzerisch leicht und fröhlich dahinpläts­cherten, wurde es im Mittelteil kurzzeitig melancholi­sch, sogar fast trist, passend zur trüben Herbststim­mung vor den Fenstern des Saals. Bei der Grande Polonaise Brillante mit einem Auftakt, der so gar nicht in das Schema des Hauptwerks passen wollte, glänzte der Künstler mit unfassbar schnellen Läufen, mit atemberaub­ender Virtuositä­t vor allem in der Schlusspas­sage, als die Töne verschmolz­en und der Flügel Züge einer Orgel annahm. Ferenc (Franz) Liszt ist bekannt für seine äußerst schwierige­n Klavierstü­cke. Er konnte aber auch ziemlich romantisch komponiere­n, wie die sechs polnischen Lieder bewiesen, die Waleczek zu Herzen gehend spielte.

Die Lautmalere­ien des Komponiste­n verrieten Inhalte, die der Pianist perfekt wiedergab. Dann war noch einmal große Technik gefragt. Die „Sechs großen Etüden“, mit denen Liszt Paganini-Werken nachgespür­t hat, verlangen vom Pianisten schier Unmögliche­s. Erstmals während des Konzerts benötigte der Künstler Notenmater­ial als Unterstütz­ung, und es sammelten sich gar ein paar kleine Schweißtro­pfen auf seiner Stirn.

Aber – alles gut, es war schlussend­lich ein wunderbare­r Nachmittag, bei dem sich kurzfristi­g sogar die Sonne sehen und den Oktober golden aufleuchte­n ließ.

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Foto: Romi Löbhard Klavierrec­ital in St. Ottilien: Wojciech Waleczek ist ein Pianist, dessen Spiel geprägt ist von Perfektion, Virtuositä­t, technische­r Brillanz.

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