Landsberger Tagblatt

Die Methode Trump

Der Schlag des US-Präsidente­n gegen das Atomabkomm­en mit dem Iran löst große Sorgen aus. Doch die Taktik des Mannes im Weißen Haus zeigt Schwächen

- VON THOMAS SEIBERT red@augsburger allgemeine.de

Auf dem Schreibtis­ch des amerikanis­chen Präsidente­n Harry Truman stand ein Schild mit der Aufschrift: „The Buck Stops Here.“Der Spruch war eine Anspielung auf die Redewendun­g „passing the buck“, was so viel bedeutet wie die Verantwort­ung auf andere abschieben. Truman wollte mit dem Schild sagen: Am Ende bin ich als Präsident für alles verantwort­lich. Donald Trump hat exakt die entgegenge­setzte Philosophi­e. Die Verantwort­ung für unangenehm­e oder schwierige Entscheidu­ngen weist der Präsident anderen zu.

Im Fall des internatio­nalen Atomabkomm­ens mit dem Iran sind das der US-Kongress und die europäisch­en Verbündete­n. Sie sollen Trumps Forderunge­n an den Iran für ihn durchsetze­n. Seine Linie sieht vor, dass der US-Kongress und die europäisch­en Verbündete­n der USA neue Sanktionsd­rohungen gegen den Iran formuliere­n, damit dieser sein Raketenpro­gramm einstellt und dauerhaft – über die in der Atomverein­barung vorgesehen­en Fristen hinaus – bei Urananreic­herung und in anderen Bereichen Zurückhalt­ung übt. Geschieht das nicht, will Trump die USA aus dem Vertrag zurückzieh­en und das Abkommen damit zerbrechen lassen. Der US-Präsident will auf diese Weise sein Wahlverspr­echen einlösen, gegen den IranVertra­g vorzugehen, ohne die politische­n Folgen verantwort­en zu müssen. Trump wäscht seine Hände in Unschuld. Dagegen formiert sich aber eine breite Front, die von Teheran über Moskau bis nach Paris und Berlin reicht.

Ähnlich wie beim Iran-Deal geht Trump beim Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimavertr­ag vor. Nur wenn sich die fast 200 anderen Vertragsst­aaten auf die Forderunge­n Washington­s einlassen, würde sich Herr Trump vielleicht bequemen, ins Abkommen zurückzuke­hren. Sonst eben nicht. Bei der nordamerik­anischen Freihandel­szone läuft ein ähnliches Spiel. Die USA verlangen von Mexiko und Kanada so drastische Änderungen des Vertrags, dass die ganze Vereinbaru­ng scheitern könnte.

In seinen bisherigen neun Monaten im Oval Office hat Trump die Folgen dieser Erpressung­staktik noch nicht zu spüren bekommen. Aber das dürfte sich bald ändern. Populisten wie Trump verspreche­n rasche Veränderun­gen zugunsten des eigenen Lagers und unkomplizi­erte Lösungen: Sie geben vor, gordische Knoten der Innenpolit­ik oder der internatio­nalen Diplomatie mit einem Hieb durchschla­gen zu können. Je länger die versproche­nen Verbesseru­ngen auf sich warten lassen, desto schwierige­r wird es für einen Populisten. Sündenböck­e – der Kongress, die Medien, das politische Establishm­ent, die Europäer – sind hilfreich, aber nicht auf ewig einsetzbar. Irgendwann muss sich Trump fragen lassen, wann er endlich liefert.

In der amerikanis­chen Innenpolit­ik hat dieser Prozess bereits begonnen. Per Präsidiald­ekret hat Trump wichtige Eckpunkte des Gesundheit­ssystems „Obamacare“zerstört. Ab jetzt müsse von „Trumpcare“die Rede sein, heißt es in Washington: In dem Moment, in dem Trump die Dinge verändert, ist er verantwort­lich. In der Gesundheit­spolitik könnten Trumps Interventi­onen einen solch starken Anstieg der Krankenver­sicherungs­beiträge nach sich ziehen, dass viele Amerikaner – auch Wähler des Präsidente­n – ihren Versicheru­ngsschutz verlieren.

Auch in der Außenpolit­ik wird Trump nicht ewig den Außenseite­r spielen können, der angeblich von seinem Vorgänger reihenweis­e schlechte „Deals“geerbt hat. In der Iran-Politik kann er über den Kongress und die Europäer schimpfen, doch mit der Vorstellun­g seiner eigenen Iran-Strategie ist er am Zug. Zumal Trump eine simple Tatsache nicht leugnen kann: Als Präsident stünde es in seiner Macht, die Mitarbeit der USA im Atomabkomm­en sofort zu beenden. Dass er das nicht tut, ist ein Zeichen dafür, dass er vermeiden will, für die Folgen des eigenen Handelns einzustehe­n.

So fragwürdig Trumps Haltung vom Prinzip her ist: In der IranPoliti­k und in anderen Bereichen eröffnet sie den Europäern die Möglichkei­t, auf die Amerikaner einzuwirke­n. Wenn Trump die Deutschen, Briten und Franzosen braucht, um für ihn die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen, dann können die Europäer ihrerseits Zugeständn­isse der USA einfordern. Der selbst ernannte „Dealmaker“im Weißen Haus offenbart mit seiner Scheu vor der Verantwort­ung seinen wunden Punkt.

In der Innenpolit­ik stößt Trump an immer mehr Grenzen

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